Welche Art Zwerge sind Corgis?
Von Charlie MacInnes, Finnshavn Cardigans, Kanada

Seit 1963 sind Cardigan Corgis meine ständigen Begleiter. Bis vor knapp 10 Jahren war ich Züchter und ging auf Ausstellungen. Ich studierte Wildbiologie und erhielt einen Doktortitel. So habe ich mich während mehr als 60 Jahren für die Struktur und Funktion vieler verschiedener Tiere interessiert. Meine Forschungen als Biologe lehrten mich, wissenschaftliche Literatur zu durchforsten, um Unterstützung für Ideen und Vermutungen zu finden. Meine Corgis gaben mir den Anstoss, den Zwergwuchs bei Hunden zu studieren. Ich hoffe, andere Corgi Liebhaber können von meiner Forschung lernen.

Achondroplasie ist wahrscheinlich die häufigste Form von Kleinwuchs bei Menschen, und es ist ein geläufiger Ausdruck, so dass wir ihn frei gebrauchen, um die kurzen Beine der Corgis zu beschreiben. Das ist FALSCH. Genau genommen werden Corgis korrekter als hypochondroplastisch beschrieben (P.F. Jezyk, Chapter 57 in: Textbook of Small Animal Orthopedics, C. D. Newton and D. M. Nunamaker (eds), International Veterinary Information Service, Ithaca NY, USA, www.ivis.org). Für Zwerghunde wird auch der Ausdruck chondrodystroph gebraucht, aber das ist ebenfalls ein klarer Fehler. Diese Form von Zwergwuchs bezieht sich auf Mangelernährung, welche das Wachstum beeinträchtigt. In der heutigen Zeit mit wissenschaftlich formuliertem Hundefutter, das nach Belieben verfüttert wird, verbleiben die Corgis Zwerge, also sind sie eindeutig nicht chondrodystroph.

Zu Zwergwuchs kommt es, wenn die Knochen nicht normal wachsen. Das Wachstum der langen Knochen (Beine, Arme, Hände, Füsse etc.) im Skelett geschieht an den beiden Enden der Knochen, wo sich die Wachstumsfuge befindet und wo sich durch aktive Zellteilung auf beiden Seiten der Fuge Knorpel bildet, der später zu Knochen wird. "Chondro" bedeutet Knorpel und "Plasia" bedeutet Wachstum, Ausdehnung oder Wucherung; "Chondroplasie" bedeutet also wuchernder Knorpel. Das Präfix "a" bedeutet "nicht" (z.B. typisch - atypisch), aber das ist unmöglich, denn wenn Zwerge gar kein Knochenwachstum hätten, würden sie die Glieder von neugeborenen Welpen haben und wären nicht imstande zu gehen. Das Präfix "hypo" bedeutet weniger als normal im Gegensatz zu "hyper", das mehr als normal bedeutet. Der Unterschied zwischen achondroplastisch und hypochondroplastisch ist also subjektiv, und muss Kriterien enthalten, die über die blosse Länge der Knochen hinausgehen.

Mein bester Freund in der Grundschule war ein achondroplastischer Kleinwüchsiger, und so konnte ich die Wachstumsstörung aus nächster Nähe studieren. Zusätzlich zu den kurzen, krummen Beinen und Armen, waren andere klare Anomalien vorhanden. Sein Gesicht unter der hohen, gewölbten Stirn war relativ flach. Seine Hände und Füsse waren sehr kurz mit stummelartigen Fingern und Zehen.

Corgis haben verkürzte Glieder, aber ihr Schädel und Stammskelett entspricht einem normalen Hund. Die Schnauze ist weder kurz noch flach und die Stirn ist nicht gewölbt. Sogar ihre Pfoten sind von normaler Grösse. Vielleicht bedeutet unsere Bevorzugung runder Pfoten eine Selektion auf leichten Zwergwuchs, aber in Anbetracht, dass die Pfoten gross sind, bezweifle ich das. Ein hochgestellter Cardigan wird vielleicht als langbeinig bezeichnet. Wenn man aber genau hinschaut, hat er eher lange Vordermittelfüsse als lange Vorderbeine. Erst als ich einige Västgötaspets (Schwedischer Vallhund) sah, bemerkte ich, dass sie längere Unterarme und ganz kurze Vordermittelfüsse haben. Västgötaspets sind normalerweise etwa 2-3 cm höher als Cardigans. Weil der Oberarm die gleiche Länge wie das Schulterblatt haben sollte, sollte der Unterarm deshalb am meisten von Zwergwuchs betroffen sein. In extremen Fällen kann der Oberarm kürzer sein als das Schulterblatt, was die Bewegung der Vorderbeine einschränkt.

Zwergwuchs entsteht als Folge eines teilweisen Versagens der Wachstumsfugen. Bei Hypochondroplasie betrifft es hauptsächlich die langen Knochen der Glieder. Was wir zurzeit nicht wissen ist, ob die Wachstumsfugen einfach langsam im Entwickeln der Knochen sind, oder ob sie unregelmässig wachsen.

Es gibt ein medizinisches Problem beim Zwergwuchs des Cardigans. Welpen, die extrem krumme Unterarme entwickeln, können während mehreren Monaten hinken. Die Krümmung des Unterarms geschieht durch das langsamere Wachstum des Radius im Vergleich zur Ulna. Wenn dieser Prozess zu extrem ist, kann der Ellbogen und/oder das Handgelenk fehlgebildet werden. Ich habe ein Röntgenbild eines Welpen aus meiner Zucht, wo der Radius so kurz ist, dass der Teil der Ulna mit der Verbindungsfläche weit über das Gelenk hinaus reicht. Es war also kein Wunder, dass der Welpe hinkte. Bis im Alter von ca. 14 Monaten hatte er sich erholt, aber der Besitzer wollte kein weiteres Röntgenbild machen lassen. Es war die Veterinär-Orthopädin, mit der ich das Röntgenbild diskutierte, die mich darauf aufmerksam machte, dass wir nicht genau wissen, wie das langsame Wachstum der langen Knochen geschieht. Sie gab zu, dass sie möglicherweise mit dem Wachstum aufhören und wieder beginnen können und dass es keine Garantie gibt, dass es bei den beiden Knochen im Unterarm in perfekter Synchronie geschieht.

Es besteht natürlich ein Zusammenhang zwischen der Krümmung des Unterarms und der Stellung der Zehen nach aussen. Genau wie das schnellere Wachstum der Ulna den Ellbogen verschieben kann, kann es auch Veränderungen am anderen Ende verursachen. Die deutlichste Veränderung ist die Drehung der Pfote, so dass die Zehen nach aussen zeigen. Stark gekrümmte Vorderarme und nach aussen gedrehte Zehen treten daher oft zusammen auf.

Die Vererbung ist allerdings alles andere als klar: ich hatte einen Rüden mit zu grosser Krümmung des Unterarms und extrem nach aussen gedrehten Pfoten, wogegen sein Wurfbruder eine zu gerade Vorhand und keine Drehung der Pfoten nach aussen hatte. Bei keinem der Eltern waren die Pfoten stark nach aussen gedreht. Ich habe auch erlebt, dass extreme Fronten ganz unerwartet auftauchen und meist nur bei einem Welpen pro Wurf. Wir Cardigan Züchter müssen danach streben, eine massvolle Krümmung des Unterarms und eine ebenso massvolle Auswärtsdrehung der Pfoten zu erzielen, beides zentrale Merkmale im Cardigan Standard. Die mehr extremen Formen beinträchtigen die Funktion.

Bei Menschen glaubt man, dass Achondrosplasie von einem einzigen rezessiven Allel kontrolliert wird. Jezyk deutete an, dass es sich bei Hypochondroplasie entsprechend verhalten könnte. Bei Menschen ist eine Person entweder kleinwüchsig oder nicht kleinwüchsig (zumindest im Fall von Achondroplasie) und es gibt keinen Hinweis auf Zwischengrössen. Personen von normaler Grösse, die unter ihren Vorfahren Kleinwüchsige haben, können kleinwüchsige Kinder bekommen.

Ich glaube, dass die Vererbung von Zwergwuchs bei Corgis komplexer ist, wahrscheinlich aufgrund andauernder Selektion auf eine Reihe von funktionellen Eigenschaften des Zwergwuchses. Der beste Beweis dafür ist, dass Kreuzungen von Cardigans mit anderen Rassen Nachkommen mit Gliedern von mittlerer Länge erzeugen. Ich weiss nicht genug über die Zucht von solchen Kreuzungen, um zu wissen, ob es bestimmte Grössenkategorien gibt, z.B. Zwerge, Halbzwerge, usw., oder ob es von diesen Kreuzungen eine ununterbrochene Folge von Grössen in späteren Generationen gibt.

Dackel sind bekannt dafür, dass sie für Bandscheibendegeneration anfällig sind. Corgis scheinen weniger von Rückenproblemen betroffen zu sein als Dackel. Eine Faustregel ist, dass beide Rassen eher Bandscheibenprobleme entwickeln, wenn sie nur an der Leine ausgeführt oder in kleinen Gärten gehalten werden. Meine Hunde werden zweimal am Tag ausgeführt, ohne Leine, über unebenes Terrain auf einem 10 ha grossen Grundstück. Sie rennen mit grosser Begeisterung frei herum und entwickeln dabei ausgezeichneten Muskeltonus. Chiropraktiker werden bestätigen, dass menschliche "Couch-Potatoes" viel eher zu Rückenproblemen neigen.

Es gibt verschiedene Corgi Überlieferungen, die in die Kategorie von Ammenmärchen fallen. Eine davon ist, dass ein Corgi Welpe, der zu viel Bewegung hat, längere Beine entwickeln wird. Während es plausibel ist, dass eine grosse Aktivität die stockenden Wachstumsfugen stimulieren könnten, gibt es keinen Beweis dafür, dass dies tatsächlich geschieht. Meine Hunde leben auf 10 ha und die Welpen haben stundenlang Auslauf im Freien, ohne dass sie im Erwachsenenalter demzufolge längere Beine haben.

Ein anderes Beispiel von konventioneller Corgi Weisheit ist, dass man einen Welpen bis zum Alter von mindestens 12 Monaten die Treppen rauf und runter tragen solle, um zu vermeiden, dass er beim Aufschlagen mit den Vorderbeinen treppabwärts seine Schultern beschädigt. Weil Corgi Welpen, besonders die gut ernährten (verwöhnten), kräftig sind, leuchtet das ein. Aber ich habe meinen Welpen mehr als 30 Jahre lang erlaubt auf Treppen zu gehen, wenn sie das wollen, ohne nachteilige Folgen. Es gibt bedeutend wahrscheinlichere Gründe, warum ein Welpe vorübergehend auf seiner Vorhand hinkt.

Lloyd-Thomas behauptete, dass der Zwergwuchs des Cardigan Corgis vom Dackel stammt. Er behauptet weiter, dass der Zwergwuchs des Pembroke Corgis von einer anderen Seite stammt. Ich bezweifle Letzteres, aber über die Dackelabstammung lässt sich diskutieren.

Es besteht kaum Zweifel, dass die Corgis für lange Zeit bei den Kelten waren. Die frühesten Zeugen der Kelten in der Archäologie sind Funde von Schmuck und Bestattungsartefakten in den Salz abbauenden Ländern Bayern und dem benachbarten Österreich. Zufälligerweise ist das die Region, wo der Dackelbestand die grösste Anzahl an Rassen hervorbrachte. Von Bayern aus betrieben die Kelten Handel fast überall in Europa und gründeten grössere Siedlungen in Ost- und Zentralfrankreich. Schliesslich erreichten die Kelten Galizien, im nördlichen Teil der iberischen Halbinsel, und von da zogen sie nordwärts nach Irland, Schottland, Wales, Cornwall und die Bretagne. Caesar hatte grössere Schlachten mit den Kelten im ostzentralen Frankreich. Ihr Anführer, Vercingetorix, war bereit, sich hinrichten zu lassen, wenn die Römer im Gegenzug den Rest seiner Leute schonten.

Wenn die Kelten in Bayern Zwerghunde hatten, hinterliessen sie als Beweis die Beagles, Bassets und Terrier, als sie vor mehr als einem Millennium durch Frankreich zogen. Keltische Händler waren bekannt in Dänemark, als die Wikinger dort regierten. Zwerghunde könnten daher über diese Route nach Skandinavien gekommen sein und möglicherweise sogar die walisische Küste mit einem Wikingerschiff erreicht haben.

Alle modernen kurzbeinigen Rassen aus Europa haben mit den Corgis gemein, dass ihre Köpfe und Körper wenig Zwergwuchs zeigen. Auf der Kehrseite der Dackel-Hypothese rapportierte Jezyk, dass eine gewissenhafte Untersuchung von Dackeln durch McCusick zeigte, dass sie nicht so leicht als hypochondroplastisch klassifiziert werden können wie die Corgis, Bassets und viele Terrier-Rassen. Auf der anderen Seite können moderne DNA Untersuchungen vielleicht das Mysterium enträtseln.

Es gibt immer noch viel zu lernen über den Zwergwuchs der Corgis.

18.05.2018
Übersetzung ANo

Literaturhinweis: Das Short Ulna Syndrom

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www.welshcorgi-news.ch
22.05.2018