Die Bedeutung des Wesens beim Cardigan Welsh Corgi

AKC Standard
Temperament: Ausgeglichen, loyal, anhänglich und anpassungsfähig. Niemals scheu oder bösartig.

FCI-Standard:
Verhalten/ Charakter (Wesen): Wachsam, aktiv und intelligent, ausgeglichen, weder scheu noch aggressiv.

2002 fand auf Showcardi-L (E-Mailliste) eine interessante Diskussion über das Wesen des Cardigan Welsh Corgi statt. Unter den Teilnehmern waren drei bekannte Züchter, deren Ansichten im Folgenden wiedergegeben werden. Ich möchte darauf hinweisen, dass wenn von "schlechtem" oder "schwachem" Wesen die Rede ist, alle drei Züchter in der Regel Unsicherheit oder Ängstlichkeit meinen.

Kathy Schwabe, Xtacee Cardigans, USA
Es ist uns allen bewusst, dass nicht jeder Cardigan ein Ausstellungshund ist, aber ein gesunder, gut erzogener Cardigan mit einem guten Wesen hat einen Wert, der bedeutend grösser ist als Erfolge im Ausstellungsring. Die Erfolge der Rasse bei Obedience, Agility, Hüte- und Therapiearbeit beweisen, was ein Cardigan kann und wie er sein sollte. Und nicht zu vergessen die vielen wunderbaren und geliebten Familienhunde.

Persönlich ist es mir egal, wie typisch und korrekt gebaut ein Hund ist, wenn er kein gutes Wesen hat. Jeder Hund mit einem schwachen Wesen ist nicht nur keine Werbung für die Rasse und eine mögliche Haftung des Besitzers, in der Regel hat er auch nicht die gleiche Lebensqualität wie ein Hund mit stabilem Wesen. Ein Hund mit einem ausgeglichenen Wesen, dessen Äusseres nicht dem Ideal entspricht, hat immer noch einen hohen Wert als Familienhund. Ein Cardigan mit einem schwachen Wesen ist kein guter Familienhund.

Hundeausstellungen sind keine natürliche Aktivität für Hunde, gleich welcher Rasse. Es kann jedoch zu Situationen kommen, welche ein Hund mit einem starken, selbstsicheren Wesen zu meistern imstande sein sollte, ohne psychisch Schaden zu nehmen. Ich bin daher der Meinung, dass ein Hund, der sich auf Hundeausstellungen alles andere als wohl fühlt, nicht unbedingt für die Zucht geeignet ist.

Auf Ausstellungen sieht sich der Hund oft mit den gleichen Situationen konfrontiert wie ein Familienhund im Laufe eines normalen Tages: Kinderwagen, Scharen von Kindern und Erwachsenen, andere Hunde, Lärm, Verwirrung, merkwürdige Dinge, die herumfliegen, usw. Wer jemals an ein Strassenfest oder auch nur zum lokalen Tierfachhandel an einem Samstag gegangen ist, trifft auf die gleichen Situationen wie auf Ausstellungen, nur in vervielfachtem Mass.

"Der Hund, der sich zu Hause wohl fühlt" hat ein gutes Leben... zu Hause... aber ist das ein normales Leben für einen Hund? Ein Hund, der so wenig Selbstvertrauen hat, dass man ihn nicht in den Park, zum Tierfachhandel, usw. mitnehmen kann, weil er ausser sich vor Angst oder stark verunsichert ist - hat kein stabiles Wesen.

Aggressivität, sei es gegen Menschen oder Hunde, ist meiner Meinung nach inakzeptabel, egal unter welchen Umständen.

Ich nehme es einem Welpen nicht übel, wenn er etwas zaghaft ist, vorausgesetzt er zeigt, dass er Fortschritte macht, aber einem erwachsenen Hund kann ich Wesensmängel nicht verzeihen, ungeachtet welche Erklärung es dafür gibt. Ich habe Hunde gesehen, die schrecklichen Missbrauch und Verwahrlosung, schlimme Autounfälle und Traumata durchgemacht haben, und später trotzdem noch ausgestellt und ein normales Leben führen konnten.

Ich bleibe bei meiner Meinung, ein Hund mit einem starken Wesen kann eingeschüchtert, traumatisiert, total verängstigt sein, aber er wird sich erholen und weiter leben. Er lernt, mit der Situation umzugehen!

Ich züchtete einmal einen Hund mit einem meiner Meinung nach schrecklichen Wesen. Ich griff bei der Wahl des Rüden zurück auf einen Hund mit gewissen Wesensproblemen in der Hoffnung, dass ich das gewünschte Aussehen ohne die Scheu bekommen würde. Das Experiment missglückte, von einem Achterwurf hatten zwei ein sehr schwaches Wesen und einer war zweifelhaft.

Der Welpe mit dem zweifelhaften Wesen ging auf eigenen Wunsch an die Besitzerin des Deckrüden. Ich weiss, dass die Hündin nie Champion wurde, aber ich weiss nicht, ob mit ihr gezüchtet wurde. Ein Rüde kam als Familienhund zu einem erfahrenen Besitzer, und obwohl er in keiner Weise ein idealer Familienhund ist, hat er doch ein gutes Leben.

Ich behielt den Welpen, den ich auf Grund seines Äusseren ausgewählt hatte, der aber nach "Murphys Gesetz" das schlechteste Wesen hatte. Er liebte Kinder über alles, wahrscheinlich weil ich Kinder hatte und vielleicht auch, weil ich ihn zum Kindergarten mitnahm, den Kindern Kekse gab und ihn streicheln liess, im Versuch, ihn auf die rechte Bahn zu bringen. Ich hoffte, dass er sich mit Training und Sozialisierung mit der Zeit verändern würde. Als es mir nicht gelang, gab ich ihn jemandem, der mehr Zeit hatte, ihn zu sozialisieren. Er schaffte es zum Champion, aber nichts änderte die Tatsache, dass er genetisch kein starkes Wesen hatte. Es lag nicht an fehlender Sozialisierung oder Training, und nicht wie er aufgezogen wurde, es war genetisch. Er erbte das Wesen von seinen Eltern und gab es an seine Nachkommen weiter. Er hätte kastriert werden sollen, wurde aber nicht.

Vielleicht ist es diese Erfahrung von damals, die mich veranlasst, so streng auf das Wesen zu achten. Es ist etwas, das mir sehr am Herzen liegt und ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um nie wieder den gleichen Fehler zu machen.

Die fünf anderen Welpen sind alle bei wunderbaren Familien, zwei haben Obedience Titel, zwei sind Therapiehunde..., aber keiner von ihnen wurde Schönheits-Champion.

Charlie MacInnes, Finnshavn Cardigans, Canada
Ein gutes Wesen ist mir wichtiger als Schönheit. Ich lege Wert auf physische und mentale Gesundheit, aber meine Hunde entsprechen nicht immer dem Schönheitsideal.

Mein Katastrophen-Wurf punkto Wesen war eine böse Überraschung. Beide Eltern hatten ein recht gutes Wesen. Beide gingen meistens ohne Leine, sogar beim Betreten und Verlassen von Ausstellungen. Von den fünf Welpen mussten zwei eingeschläfert werden, trotz grossem Einsatz von sehr erfahrenen Hundebesitzern. Die anderen drei erforderten viel Arbeit, konnten aber ein vernünftiges Leben führen.

Was mich aber besonders interessierte war der Umstand, dass beide Eltern mit anderen Partnern Welpen mit recht gutem Wesen brachten. Der Rüde zeugte ein paar Welpen mit eher scheuem Wesen, aber weit davon entfernt, dass sie eingeschläfert werden mussten. Die Welpen der Hündin hatten ein ausgeglichenes Wesen.

Ich muss auf beide Extreme des Wesens achten. Ängstlichkeit ist entschieden unerwünscht, aber zu viel Aktivität, was ich als Übereifer bezeichne, ist anstrengend, genau wie Aggressivität. Übereifrige Hunde können äusserst intelligent sein, sind aber schwierig zu disziplinieren. Aggressivität kann kontrolliert werden, aber einige Hunde geben mir das Gefühl, mich in der Nähe eines geladenen Gewehrs aufzuhalten.

Was mich sehr beunruhigt ist, dass fast alle der scheuen Welpen im Alter von 8-10 Wochen, wenn die meisten meiner Welpen abgeholt werden, keine eindeutigen Symptome zeigten. Ich bin fest überzeugt, dass gewisse Wesenszüge vererbt werden, so dass wir als Züchter etwas tun können.

Aber die Erziehung hat ebenfalls etwas damit zu tun, und vielleicht gibt es Leute, die, wenn sie sehen, dass ihr neuer Welpe sich unter fremden Leuten oder an fremden Orten nicht wohl fühlt, sich zu sehr bemühen, den Welpen zu beschützen, was das Problem weiter verstärkt. Aber wie ich oben erwähnte, waren die zwei aus meinem Katastrophenwurf in den Händen von erfahrenen Hundekennern. Ein dritter Welpe aus einer ganz anderen Verbindung, den ich ursprünglich für mich selbst behielt, wurde schliesslich von einer Züchterin mit viel Erfahrung übernommen, aber trotz grossem Einsatz machte er keine Fortschritte. Diese Züchterin wusste, mit was sie es zu tun hatte, denn zum Zeitpunkt, als der Welpe zu ihr ging, war mir klar, dass er scheu war.

Wenn wir einen Superhund sehen, dessen Wesen uns aber nicht überzeugt, lohnt es sich vielleicht, seine Geschwister anzuschauen. Vielleicht findet sich unter ihnen ein anderer Hund mit einem besseres Wesen als derjenige, der für den Züchter als Einziger infrage kam. Ich habe viele erstklassige, für Ausstellung geeignete Hunde, als reine Familienhunde platziert, weil zur Zeit, als sie für ihr neues Heim bereit waren, kein Aussteller einen solchen Welpen wollte.

Ich habe stets Welpen behalten, die in direkter Linie von meinem ersten Cardigan abstammten. Der hatte eine unglaubliche Persönlichkeit, im Ausstellungsring wäre er jedoch auf dem letzten Platz gelandet. Ich glaube, das höchste Gewicht, das er jemals auf die Waage brachte, war etwas über 12 kg (er war 1963 geboren). Seine Eltern wurden von meiner Tante importiert, von einer Dame in Wales, die Wert auf Arbeitstauglichkeit legte. Ich glaube, beide Eltern hätten sich auf Ausstellungen behaupten können, aber sie verbrachten ihr Leben mit dem Hüten von Vieh im Süd-Westen von Alberta.

Lore Bruder (Bluetrix Cardigans) in Pincher Creek, Alberta, hütet heute mit ihren Cardigans in der gleichen Region. Nach ein paar Darbietungen kamen grauhaarige Rancher zu ihr und sagten still: "Vor vielen Jahren hatte ich einen von diesen; er war der beste Hund, den ich je hatte".

Patrick Ormos, Phi-Vestavia Cardigans, USA
Welche Wesensaspekte sollte man berücksichtigen, wenn man einen Wurf plant?

1. Hat ein Hund, der anderen Hunden gegenüber aggressiv, Menschen gegenüber aber freundlich ist, ein Wesensproblem?
Ja, absolut! Aggressivität gegenüber Artgenossen ist erblich und ein Problem. Persönlich wähle ich Hunde, die gegenseitig mehr tolerant sind. Ich kann mir keine Rüden leisten, die sich ständig bekämpfen.

2. Hat ein Hund, der sich zu Hause, beim Einkaufen, usw. wohl fühlt und Kindern gegenüber grossartig ist, aber Hundeausstellungen nicht leiden kann, ein schwaches Wesen?
Vermutlich ja! Die Frage ist, wurde der Hund auf neue Stimuli gut sozialisiert? Wenn ja, und er trotzdem Hundeausstellungen hasst, und kein anderes Trauma diese Abneigung erklären kann, ja, dann ist er nicht wesensfest.

Alle die meine Hündin Kentwood Lyneth kannten, wissen, dass sie nicht gerade das stärkste Wesen hatte. Sie hasste neue Situationen und hatte Angst davor. Ich machte mir nie Sorgen, dass sie jemanden beissen könnte, mochte aber diese Seite ihres Wesens nicht besonders. Mit Menschen, Gegenständen und Situationen, mit denen sie vertraut war, und gelernt hatte, mit ihnen umzugehen, kam sie immer gut zurecht. Mit fortschreitendem Alter wurde sie auch toleranter gegenüber neuen Situationen. In Anbetracht dieser Umstände wählten Cathy Ochs-Cline und ich ihre Zuchtpartner sehr sorgfältig aus und zogen auch ihre Würfe mit grösster Sorgfalt auf. Es gelang uns, zu verhindern, dass ihre Wesensschwäche weitergegeben wurde, aber wahrscheinlich hatten wir auch Glück.

Wenn der Rüde/die Hündin, die man gerne für die Zucht gebrauchen möchte, ein Wesensproblem hat, dann muss man sehr sorgfältig überlegen, welcher Art das Problem ist, wie schlimm es ist, ob es eventuell erblich ist, und wie man es umgehen kann. Schussangst, z.B. ist erblich. Das kann bei einem Gewitter ein grosses Problem sein. Wenn man aber kein Jäger ist und in einer Gegend lebt, wo nicht viel gejagt wird und es nur wenige Gewitter gibt, dann ist es vielleicht kein grosses Problem. Falls man aber Jagdhunde züchtet, ist es ein primäres Problem.

Übersetzung: ANo

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22.11.2015