Unterschiede im Typ einer Rasse
Wann divergiert das Aussehen einer Rasse so stark, dass sie als eine separate Rasse betrachtet werden sollte?
Von Jon Kimes

Nichts ist erfreulicher als eine Rasse mit einem global einheitlichen Erscheinungsbild und Züchter, die alle das gleiche Ideal anstreben. Es erlaubt eine grössere Bandbreite für Zuchtprogramme und ermöglicht, den Hund unter Richtern aus aller Welt auszustellen. Ebenso können die Aussteller weltweit ausstellen und Freundschaften knüpfen.

Wenn der Zweck des Züchtens reinrassiger Hunde ist, die gewählte Rasse zu verbessern und zu fördern, wird das Ziel kompromittiert, wenn die Vorstellung des Ideals einer Rasse von Land zu Land variiert? Wann unterscheiden sich die typischen Merkmale so stark, dass man glauben könnte, es handle sich um verschiedene Rassen? Seit über hundert Jahren gibt es bei einer Reihe von Rassen Unterschiede zwischen "Arbeitstyp" und "Ausstellungstyp". Wenn sich aber der "Ausstellungstyp" weiterhin so stark verändert, dass er zu einer neuen Rasse werden könnte, haben die Züchter ihre Arbeit falsch gemacht?

Es fasziniert mich, über diese Frage nachzudenken, und beim Studium verschiedener Rassen, begann ich einige der Muster zu verstehen, die zu diesen Unterschieden zu führen scheinen.

Entwicklung im Ursprungsland
Ich habe bemerkt, dass frühe Importe in die USA den Typ für Generationen festlegen können, und während die Rasse im Ursprungsland sich weiter entwickelt, sich verändert oder veredelt wird, erinnern die amerikanischen Hunde immer noch an die ursprünglichen Stammhunde.

Der Cardigan Welsh Corgi zum Beispiel kam in den frühen 30er Jahre nach Amerika. Einer der ersten Importe war die Hündin Cassie, die auch Stammhündin der britischen Blutlinien war. Die amerikanischen Züchter hätten keinen besseren Start machen können. In den 70er Jahren wurde gemunkelt, dass es einen "amerikanischen kontra englischen" Cardigan Typ gab. Hatten die amerikanischen Züchter die Rasse in eine neue Richtung geführt, die von den ursprünglichen Importen abwich? Tatsächlich war aber genau das Gegenteil der Fall. In den 70er Jahren gab es viele Cardigans, deren Ahnentafeln bis zu den frühesten Importen reichten, und sie sahen auch den ersten importierten Hunden sehr ähnlich.


Ch. Domino's Beau Jester, ein siegreicher tricolor
Cardigan in den USA, geboren 1963.

Eng. Ch. Parmel Digger, Rekord-Gewinner von CCs
während vielen Jahren im Veinigten Königreich,
ebenfalls 1963 geboren.

Mittlerweile fuhren die britischen Züchter fort, die Rasse zu veredeln: das Erscheinungsbild wurde eleganter, mit gut entwickeltem Hals, tieferer Brust, schönerem Kopf, runderen Knochen, und aus dem ursprünglichen Arbeitshund wurde allgemein ein äusserst attraktiver und einzigartiger Hund. Schliesslich wurde das Problem gelöst, als mehrere amerikanische Züchter mehr Hunde importierten und nach englischem Vorbild züchteten. Heute ist der Rassetyp weltweit ziemlich einheitlich.


Ch. Shady Miss, eine einflussreiche Hündin,
gezüchtet von Norma Chandler in den USA in 1966.

Ch. Shamrock's Faith Hill wurde BOB
auf der Nationalen Club Show in 2009.
Die Veränderung des Cardigan Typs in den USA
ist deutlich beim Vergleich mit Parmel Digger.

Der Akita wurde in grösserer Zahl zuerst von den Soldaten nach Amerika gebracht, die während des Zweiten Weltkriegs in Japan stationiert waren. Die Zucht mit diesen Hunden brachte attraktive Nachkommen, die anfänglich für den grössten Teil der Welt den Akita verkörperten. Angeblich handelte es sich bei diesen ursprünglichen Importen jedoch nicht um "originale" Akitas, sondern um das Resultat von Kreuzungen einheimischer Akitas mit europäischen Kampfhunden um die Jahrhundertwende. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlossen die japanischen Liebhaber des Akita die Rasse zu veredeln und im Wesentlichen nach dem historischen Vorbild neu zu erschaffen. Heute erinnert der japanische Akita Inu stark an die anderen japanischen Spitzhunderassen, während der American Akita von der FCI nun als separate Rasse anerkannt ist.


American Akita

Japanischer Akita Inu

Der Golden Retriever in Amerika ist ein Beispiel eines Typs, der den ursprünglichen Importen noch ganz ähnlich sieht, während die englischen Züchter den Kopf weiter veredelten sowie kräftigere Knochen und mehr Substanz entwickelten. Eine interessante Wendung ist die vorherrschende blass goldene Farbe in europäischen Zuchtlinien. Einige sind der Auffassung, dass man sich überlegen sollte, den amerikanischen Rassestandard dahin zu ändern, dass die hellere Goldnuance unerwünscht ist. Die Farbschattierung bedeutet eine weitere Komplikation für Züchter, die ansonsten gerne von den Anstrengungen der europäischen Züchter profitieren möchten.

Änderungen im Importland
Ein gutes Beispiel für die Abweichung einer Rasse im Importland ist der Cocker Spaniel, welche die Aufteilung der Rasse in den Englischen und den Amerikanischen Cocker Spaniel zur Folge hatte. In Amerika wurde der Cocker Spaniel zu einem Typ gezüchtet, der von den ursprünglich importierten Hunden abwich: er wurde kleiner, mit kürzerer Schnauze, ausgeprägtem Stop und gerundetem Schädel und einem kompakteren und auffälligeren Erscheinungsbild. Während der Cocker Spaniel immer noch als eine Rasse betrachtet wurde, gab es Verfechter beider Typen, aber Ende der 30er Jahre empfahl der Parent Club, die beiden Typen nicht zu vermischen. 1946 wurden die amerikanische und englische Version des Cocker Spaniels vom AKC in zwei separate Rassen aufgeteilt.


American Cocker Spaniel

English Cocker Spaniel

Es ist mir immer noch nicht klar, wie es dazu kam, dass der Collie in Amerika anders interpretiert wurde als der britische Typ. Wie bei vielen anderen Rassen wurden anfänglich vorzügliche englische Hunde nach Amerika importiert. Zur Zeit der Jahrhundertwende war diese Rasse sogar obligat und mehrere der reichsten amerikanischen Familien beteiligten sich an der Zucht von Top Collies. Auf beiden Seiten des Atlantiks war man sich einig, dass der Kopf ein Hauptmerkmal der Rasse war. Die englische Form ist weicher und mehr keilförmig und verlangt wahrscheinlich nicht den konzentrierten Fokus auf jeden einzelnen Aspekt des Kopfs, der von den amerikanischen Spezialisten verlangt wird. Mit englischen Augen sieht die amerikanische Form fremd aus und die Unterschiede scheinen nicht vereinbar zu sein. Ich finde Ähnliches trifft zu auf den Shetland Sheepdog. Die Züchter auf beiden Seiten des Grossen Teichs züchten ihre Hunde nach dem Muster ihrer Version des Collies.

Wenn das Aussehen zur Rasse wird
Es bleibt die Frage: "Wann weicht das Aussehen einer Rasse so stark ab, dass sie als eine separate Rasse betrachtet werden sollte?" Ich würde meinen, wenn die Hauptmerkmale einer Rasse global nicht übereinstimmen, ist die Abweichung unvereinbar. In solchen Fällen sind es oft grundverschiedene Auffassungen der idealen Kopfform, welche dazu führen, die Rasse in zwei separate Rassen aufzuteilen. Können der amerikanische Collie und der englische Collie wirklich eine Rasse bleiben, wenn die Hauptdifferenz die Kopfform betrifft, die als das Hauptmerkmal der Rasse betrachtet wird?

Natürlich kann eine Abweichung auf die Stammhunde der frühen Züchter zurückgeführt werden. Der Soft Coated Wheaten Terrier hatte seit seinen ersten Tagen in Amerika ein Haarkleid, das in keiner Weise dem seidigen, glänzenden, welligen Fell glich, das in seiner Heimat Irland ein Hauptmerkmal ist. Was für amerikanische Augen normal ist, kann für die Züchter des Ursprunglands eine Abweichung sein. Maureen Holmes, eine Soft Coated Wheaten Terrier Kennerin und Züchterin, war sehr kritisch gegenüber den amerikanischen Hunden und sagte, dass die amerikanischen Züchter die Rasse ruinierten. Wenn nicht früh genug korrigierend eingegriffen wird, entweder durch die Züchter selbst oder die Richter der Rasse, kann eine Rasse sehr schnell eine Richtung nehmen, die sie unweigerlich zu etwas ganz anderem führt.

Die FCI ist zum globalsten Züchterverband geworden. Sie definiert das "Ursprungsland" einer Rasse und übernimmt dessen Standard als offiziellen Rassestandard. Das sollte im Wesentlichen dazu beitragen, eine Rasse zu standardisieren und zu vermeiden, dass sie in regionale Untertypen zersplittert wird. FCI-Ausstellungen können überall auf der Welt stattfinden und die Richter müssen dennoch immer nach den gleichen Rassestandards richten.

Es sind aber vor allem die Züchter, die sich zusammen tun sollten, um die Rasse weltweit zu standardisieren. Das geschieht sehr erfolgreich durch den Austausch von Hunden sowie Richtern, die auf die Rasse spezialisiert sind. Dazu braucht es Hingabe und Aufrichtigkeit und das Eingeständnis, dass die Züchter eines Landes vielleicht vom Weg abgekommen sind. In unserem Bestreben, nicht nur bessere sondern auch gesündere Hunde zu züchten, müssen wir aufpassen, dass wir den vorhandenen Gen-Pool nicht von den weltweiten Blutlinien abschotten.

Die jüngste Barriere gegen die fortlaufende Integration von Blutlinien ist das in vielen Ländern eingeführte Rutenkupierverbot. Obwohl es kein genetisches Problem ist, kann es zu Rasseaufteilungen kommen, wenn die Züchter es zulassen. Während die Liebhaber gewisser Rassen, wie viele der Spaniel Rassen, natürliche oder kupierte Ruten zu akzeptieren scheinen, sind andere bedeutend weniger geneigt, eine solche Abweichung von der Tradition zu akzeptieren. Die Liebhaber des Pembroke Welsh Corgi zum Beispiel haben sich jahrelang auf Importe verlassen, scheinen aber nicht gewillt, nicht kupierte Hunde im amerikanischen Ausstellungsring zu tolerieren. Es wird sich zeigen, ob die Züchter im Rest der Welt gewillt sind, weiterhin ihre besten Hunde nach Amerika zu exportieren, wenn sie garantiert keine Chance haben, ausgestellt zu werden.


Unkupierter Pembroke

Kupierter Pembroke

Nie zuvor haben so viele Züchter aus Nordamerika mit ihren selbst gezüchteten Hunden auf der ganzen Welt konkurriert oder auf globaler, gegenseitiger Basis wertvolle Blutlinien geteilt. Trotzdem gehen die Abweichungen im Aussehen vieler Rassen unentwegt weiter. Es wird interessant zu sehen, wohin dieses Jahrzehnt uns führt.

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Auszug eines im November 2014 in Dogs in Review erschienenen Artikels mit freundlicher Erlaubnis des Autors Jon Kimes, Richter mehrerer Rassen und Züchter von Cardigan Welsh Corgis in den USA.
Übersetzung: ANo

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www.welshcorgi-news.ch
16.09.2015