Die Legende von Corgi-san

Auszug aus "Ruby and the Moon" von Kelly Lynn Thomas
http://kellylynnthomas.com/
Illustration: Emily Love

Corgi-san, der alte japanische Hunde-Geist, wurde oft mit einem Fuchs verwechselt wegen seinem roten Fell und den fuchsähnlichen Abzeichen.

Corgi-san schätzte gutes Essen, vor allem Eier, und schlich sich gern in ein bestimmtes Wirtshaus ausserhalb der Stadt Edo. Das Wirtshaus befand sich an einer Verkehrshauptstrasse und so kehrten viele Reisende ein, um sich auf der langen Reise in die Stadt zu verpflegen .

Für Corgi-san bot sich dadurch jeden Abend eine neue Gelegenheit, von den Speisen zu stehlen. Meistens wartete er, bis die Gäste gut betrunken waren. Dann schlich er auf Zehenspitzen hinein und brauchte seine lange Zunge, um die Spiegeleier von den Tellern der Gäste zu schnappen, bis er satt war. Seine Streiche waren den Gastwirten zur Genüge bekannt, aber keinem war es bisher gelungen, ihn zu fangen.

Eines Abends kam ein gefeierter und tüchtiger Samurai, der in der Nähe wohnte, in das Wirtshaus, denn sein Lieblingsgericht waren Soba-Nudeln mit Spiegelei.

Corgi-san hatte den Samurai schon mehrmals gesehen und dachte, es wäre eine echte Herausforderung und ein Riesenspass, sein Essen zu stehlen. Als dieser in ein Gespräch mit einer besonders hübschen Kellnerin vertieft war, schoss er seine lange rosa Zunge heraus, schnappte sich das Ei und verschluckte es ganz.

Er glaubte, er sei ungestraft davon gekommen und wollte sich zufrieden aus dem Staub machen, als der Samurai sein Schwert zog und es direkt auf Corgi-sans Versteck in der Ecke richtete.

"Ich kann dich sehen, Corgi-san, und deine Diebstähle sind wohlbekannt in diesem Wirtshaus. Es ist an der Zeit, dass du für alle die Eier bezahlst, die du von arglosen Gästen gestohlen hast", rief der Samurai.

Ein gefährliches Grinsen breitete sich über Corgi-sans Gesicht. Obwohl er an ein behagliches Leben gewohnt war, war er ein Hunde-Geist und es lag in seiner Natur, eine Herausforderung anzunehmen.

"Nur wenn du mich fangen kannst, Samurai-san", kläffte er und sprang sogleich aus seiner Ecke und viel weiter als man auf Grund seiner kurzen Beine erwartet hätte. Der Samurai nahm die Verfolgung auf und die anderen Gäste feuerten ihn an. Schnell band er sein Pferd vor dem Wirtshaus los und jagte dem eilig verschwindenden Hunde-Geist nach.

Das Pferd des Samurai war stark und schnell und holte den kleinen Hunde-Geist problemlos ein. Dieser bemerkte, dass der Samurai ihm auf den Fersen war und nun seinen Bogen spannte. Er jaulte kurz auf und verdoppelte seine Anstrengungen, fühlte jedoch, dass er diesmal in der Klemme war und obwohl er sein Bestes gab, war er nicht schnell genug.

Der Samurai zielte und schoss seinen Pfeil ab. Er traf Corgi-san am rechten Hinterbein, worauf dieser von der Strasse ins Gebüsch rollte. Für einen kurzen Augenblicke verlor der Samurai ihn aus den Augen.

Als Corgi-san wieder aus dem Gebüsch auftauchte, rannte er noch schneller als zuvor. Der Samurai stellte überrascht fest, dass er nun den Pfeil in seinem Maul trug und völlig unverletzt schien. Er spornte sein Pferd an und realisierte bald, dass der Hunde-Geist direkt auf sein Haus zu steuerte! Und als er sich dem Haus näherte, sah der Samurai zu seiner noch grösseren Verwunderung, wie die Federn des Pfeils in Flammen ausbrachen. Es war ihm klar, was Corgi-san im Sinn hatte, aber er konnte sein Pferd nicht dazu bringen, schneller zu rennen, um ihn einzuholen; der Hunde-Geist schien von magischen Kräften beflügelt zu sein.

Corgi-san erreichte das Haus eine ganze Weile vor dem Samurai und begann, das Haus zu umkreisen, indem er mit dem brennenden Pfeil das Holz berührte und es in Brand setzte. Als der Samurai endlich bei seinem Haus ankam, hielt er mit offenem Mund inne.

Nachdem der Hunde-Geist das Haus einmal umkreist hatte, verschwand er wieder im Gebüsch und der Samurai hörte, wie er sagte: "Deine Strafe stand nicht im Verhältnis zu meiner Tat. Ich wollte nur etwas Feines fressen! Vielleicht überlegst du es dir das nächste Mal zweimal, bevor du dein Urteil fällst".

Zum Glück befand sich die Familie des Samurais in der Stadt, denn sein Haus brannte bis auf den Grund nieder. Von diesem Tag an überlegte er es sich gut, bevor er ein Urteil fällte, und oft liess er Barmherzigkeit walten. Wann immer er an einem Schrein für lokale Gottheiten vorbei kam, hinterliess er stets einen Leckerbissen zu Ehren von Corgi-san.

Übersetzung ANo mit freundlicher Genehmigung

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10.05.2015