Corgi-Zauber

Ein Märchen von Katherine Breckenridge


Es war einmal ein altes Schloss in einem Land, genannt Wales.
Im Schloss wohnte schon seit vielen Jahren niemand mehr. Nach und nach zerfielen die Türme. Die Mauern stürzten ein.
Pflanzen schlugen Wurzeln und begannen sich über das Mauerwerk auszubreiten.
Die Scheiben fielen aus den Fenstern und Vögel nisteten in den Türmchen.
Wenn der Wind heulte und Regen vom Himmel fiel, war es ein unheimlicher Ort.
Das alte Schloss, weit hinten in einem Tal gelegen und von Wald umgeben, war hinter Tannen versteckt.
Nur wenige Leute sahen es im Sommer. Und jene, die es sahen, erzählten bei ihrer Heimkehr merkwürdige Geschichten.
Sie hätten tiefe, knurrende Laute gehört und Rauchwolken gesehen.
Das hielt die Leute fern und schon bald hatten sie vergessen, dass dort jemals ein Schloss gestanden hatte.

Eines Tages ging ein kleiner Knabe mit seinem Hund Owyn im Wald spazieren.
Es war ein Hund, dessen Vorfahren in Wales gelebt hatten, lange bevor die Menschen sich dort niederliessen.
Er hatte kurze stämmige Beine, grosse braune Augen und grosse spitze Ohren. Sein Körper war mit einem matten braunen Fell bedeckt. Owyn war ein Welsh Corgi.

Corgi


Der Knabe und sein Corgi gingen immer tiefer in den Wald hinein, viel weiter als je zuvor.
Der Corgi schnüffelte zwischen den Blättern und jagte der Spur von Kaninchen nach.
Plötzlich standen sie vor den Ruinen des Schlosses. Owyn wurde ganz aufgeregt.
Er rannte dahin und dorthin, und zog witternd mit erhobener Nase die Luft ein.
Der Knabe schnupperte auch und nahm den Geruch von Rauch wahr, wie wenn jemand ein Feuer gemacht hätte.
Owyn stürmte zu einer Stelle des Schlosses, wo die Mauern vollständig zusammengestürzt waren und die Steine in einem Haufen am Boden lagen. Sie hörten ein tiefes Knurren.

Der Knabe, etwas verängstigt, rief "Wer ist da?"
"Hilf mir" ertönte eine tiefe, dröhnende Stimme.
"Wo bist du?" fragte der Knabe. Jetzt kratzte Owyn wie wild am Fuss eines grossen Steins.
Er scharrte die Erde weg und ein Spalt wurde sichtbar, wie wenn der Stein ein Loch zudeckte.
Aus dem Spalt kam eine Rauchwolke.
"Bist du da unten?" fragte der Knabe, der auf der Erde lag und in den Spalt guckte.
"Ja" sagte die Stimme dieses Mal lauter "und ich habe hier unten während hunderten von Jahren gesessen und glaub mir, ich habe die Nase voll".
"Aber ich weiss nicht, wie ich dir helfen soll Ich bin nur ein kleiner Junge und der Stein ist sehr gross und schwer".
"Oh" sagte die Stimme "ich glaube, ich habe eine Idee".

Es gab ein zischendes Geräusch und eine grosse Rauchwolke drang aus dem Loch und hüllte den Corgi ein.
Und vor den Augen des verblüfften Knaben begann der Corgi zu wachsen. Er wurde grösser und grösser.
Corgis sind ja sehr schlaue Hunde, viel schlauer als man denkt, obwohl sie klein sind.
Du kannst dir daher denken, wie schlau ein RIESIGER Corgi ist.
Der Knabe stand verdutzt da. Sein Corgi war nun fast so gross wie ein Ochse!

"Geh zur Seite" sagte die Stimme, als Owyn sich auf seinen riesigen Hinterbeinen aufrichtete und die Vorderpfoten gegen den Stein stemmte. Owyn stiess und stiess. Langsam rollte der Stein weg und ein tiefes Loch in der Erde kam zum Vorschein. Aus dem Loch kletterte ein sehr schmutziger und staubiger roter Drache.
Mit seiner grossen, langen Zunge begann Owyn den Drachen von Schmutz, Staub und Spinnennetzen zu säubern und schon bald glänzte und leuchtete seine rote Haut.
"Oh, vielen Dank" sagte der Drache und bewegte seine Flügel "das tut gut".

"Wie bist du in das Loch geraten?" fragte der Knabe.
"Nun" sagte der Drache "vor langer Zeit fand ich dieses schöne Loch hier in der Erde und legte mich hin, um ein Nickerchen zu machen. Drachen brauchen viel Schlaf, musst du wissen. Nachdem ich 8 Tage geschlafen hatte, kam ein grosser Sturm. Die Mauer stürzte ein und ich war gefangen. Ich bin die ganze Zeit da unten gewesen."
Der Drache sah sich um. "Ich muss mich auf den Weg machen. Vielen Dank, dass du mich gerettet hast.
Ich muss viel Zauberei nachholen. Wer weiss, wie viele neue Zauberkünste erfunden wurden, während ich in diesem Loch steckte."

"Aber was ist mit meinem Hund" fragte der Knabe. "Du kannst ihn doch nicht so zurück lassen.
Er passt nicht mehr in mein Haus. Er kann nicht mehr neben meinem Bett liegen, wenn ich schlafe. Er ist viel zu gross".

"Ja, ich verstehe, was du meinst" sagte der Drache. "Ich werde ihn in seine normale Grösse zurück verwandeln und als Dank werde ich seinem glanzlosen braunen Fell eine schöne leuchtende Farbe wie meine verleihen."
Mit diesen Worten stiess er eine grosse rote Rauchwolke aus, die den Corgi einhüllte.
Owyn wurde kleiner und kleiner bis er wieder die normale Corgi-Grösse erreicht hatte.
Aber anstatt ein braunes, hatte er nun ein geschmeidiges, glänzendes Fell in einem wunderschönen goldenen Rot, leuchtend wie ein Sonnenuntergang.


Drache+Corgi


Owyn war so glücklich, dass er einen Freudentanz aufführte.
Der Drache verbeugte sich vor dem Knaben, schlug mit den Flügeln und erhob sich in die Luft.
"Solltest du jemals die Hilfe eines Drachen gebrauchen, dann rufe mich" und schon flog er davon gegen Westen.


Der Knabe schaute ihm nach, bis er nur noch ein kleiner Fleck am Himmel war.
Dann sah er auf seinen wunderschönen roten Corgi hinunter.
"Es ist Zeit, nach Hause zu gehen, Owyn".
Der Corgi lächelte. "Ja, es ist Zeit nach Hause zu gehen" dachte er.
Und weisst du was? Seither lächeln Corgis immer.

Aus PWCCA Newsletter, März 1995,
mit freundlicher Genehmigung des Pembroke Welsh Corgi Club of America.
Übersetzung ANo
Corgi News Dezember 2002




Katherine Breckenridge aus Texas, USA schrieb:

Ich kaufte meinen ersten Corgi vor fast vier Jahren vom Wey Zwinger in England.
"Corgi Zauber" wurde für meinen 7-jährigen Sohn Andrew geschrieben.
Er ist von Corgis und Drachen gleich fasziniert und stellt dauernd Fragen über unsere Corgis.
Warum sind ihre Beine so kurz, warum haben sie so grosse Ohren, warum haben sie ein rotes Fell.
Wie Sie vielleicht wissen, ist auf der walisischen Flagge ein roter Drache abgebildet.
Ich erzählte Andrew, dass alle verzauberten Geschöpfe aus Wales rot sind, dass es eben Zauberei sei.
Und so entstand nach und nach die Geschichte "Corgi Zauber."


04.09.2014