Ranger
Aus dem Leben eines königlichen Corgis

Ich schlafe mit der Queen Mum. Schon immer. Nein, stimmt nicht. Es gab eine Zeit auf Schloss Mey, da ich von ihrem Schlafzimmer verbannt wurde, weil ich schnarchte. Das war sehr merkwürdig. Ich schnarchte nämlich nie auf Balmoral oder im Clarence House. Was war los? Der lokale Tierarzt brauchte einen ganzen Sommer, um es herauszufinden.

Schloss Mey ist mein bevorzugter Ort und auch sie liebt es, keine Touristen, keine ekligen Fotografen, sehr abgelegen, und so darf ich lange aufbleiben. Ein Drink führt zum anderen; ich brauche wohl nicht näher darauf einzugehen. Dann nehmen wir zusammen vor dem Fernseher das Nachtessen ein. Und genau das war die Ursache, das späte Essen, manchmal erst um 22 Uhr. Mein Bäuchlein hatte Nachtschicht. Der Tierarzt verordnete, dass ich zu meiner normalen Essenszeit zurück kehren solle, das heisst 17 Uhr für alle königlichen Corgis. Das war's. Das Problem war gelöst.

Normalerweise wache ich zur gleichen Zeit auf wie sie. Einer der Lakaien bringt ihr den Morgentee und die Zeitung Sporting Life, sowie einen Keks für mich und meine jüngere Schwester Dash. Wir haben die gleichen Eltern, stammen aber aus verschiedenen Würfen. Die QM gibt mir jeweils den Keks. Eigentlich sollte ich das Bett verlassen und den Keks in meinem Korb fressen. Dass ich nicht lache! Die sollen doch die Krümel entfernen. Ich meine, was haben sie denn sonst zu tun, die faulen Kerle.

Dann ist es Zeit für die Geschäftchen. In London werden wir von einem Gassi-Lakai abgeholt; danach sammelt er alle die anderen Hunde aus den Zwingern zusammen und schleppt uns im Garten herum. Meistens sind wir an der Leine, was ich hasse. Es gibt eben diese doofen Lakaien, die die Hunde nicht unter Kontrolle haben, deshalb müssen sie uns an der Leine führen. Als ob wir versuchen würden, zu entwischen - wer würde schon dieses angenehme Logis verlassen, oder sonst etwas Dummes anstellen?


Jemanden beissen? Fangen Sie nur nicht damit an. Sie wollen doch nicht zu diesen Journalistenfritzen gehören. Das ist der einzige Anlass, wo wir in die Zeitungen kommen. Es ist einfach nicht fair. Zum Beispiel jener Polizist des Buckingham Palastes, der im Spital landete, völlig übertrieben. Die Zeitungen behaupteten, ich hätte ihn in den Knöchel gebissen. Eine glatte Lüge, eine Gemeinheit. Er blutete nicht einmal.

Fragen Sie nur die Queen Mum. "Es ist ihr Treibinstinkt" muss sie mindestens dreimal jeden Tag erklären. Wir lachen uns dabei ins Pfötchen. Wir sind eben Welsh Corgis, und unsere Ahnen gehen zurück bis ins 10. Jahrhundert, lange bevor die königliche Familie aus ihrer deutschen Höhle kroch. Hoppla! Erwähnen Sie das nicht. Da sind sie etwas empfindlich.

Wir wurden in Wales, genauer gesagt in Pembrokeshire, dazu gebraucht, Rinder zu treiben. Würde es uns heute noch geben, wenn wir Kühe angegriffen, sie blutig gebissen, ganze Beine abgebissen hätten und dergleichen? Natürlich nicht. Wir kneifen das Vieh nur in die Fersen, um es anzutreiben oder in Schach zu halten. Mehr tun wir nicht. Wenn Sie also Gardesoldaten mit Krücken sehen, die für die Regenbogenpresse ein leidendes Gesicht aufsetzen, oder einen Diener der königlichen Familie, der sich im Spital für die 18 Uhr Nachrichten interviewen lässt, vergessen Sie's. Reine Sensationsmache.

Oh nein, kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Tod Chippers. Das war im Mai letzten Jahres. Seither habe ich mehrere andere Emporkömmlinge angegriffen. Ich gebe allerdings zu, es war etwas ungeschickt, den Lieblingshund der Queen zu töten, aber er war selber schuld. Ich musste ihm doch zeigen, wer hier der Boss ist, nicht wahr, sozusagen als Vergeltungsmassnahme. Und zur Verteidigung des Territoriums unumgänglich. Ich und die Jungs von Clarry House lassen uns von der Buck-House Bande doch nichts bieten.

Sie wissen doch, dass Chipper, wie soll ich's sagen (ich will keinen Ärger mit Cruft's) nicht einer von uns war. Eben! Davon erwähnten die Zeitungen nie etwas. Er war ein "Dorgi" - eine Kreuzung zwischen einem Dackel und einem Corgi. Was soll man damit? Die Queen hat immer noch einen, eine kleine Hündin namens Piper. Die werde ich auch noch kriegen. Wenn wir sie kommen sehen, singen wir alle "How much is that dorgi in the window" ("Was kostet der "Dorgi" dort im Fenster").

Nachher war es das Übliche: 10 Sitzungen mit dem Seelenklempner. Während ich auf der Couch liege, stellt er mir alle diese albernen Fragen: Hatte ich eine schlimme Welpenzeit, habe ich Albträume über Staupe. Und früher oder später kommt immer die Frage, in welchem Alter ich meine Ohren stellte. Meine Ohren standen bereits mit 3 Wochen aufrecht und machten seither nicht mehr schlapp, ausgenommen während des Zahnwechsels. Aber ich sage meistens, dass sie erst mit fünf Monaten aufrecht standen, nur um ihnen etwas Stoff zum Nachdenken zu geben und sie etwas anzuregen. Mit etwas Glück bekomme ich eine Woche lang Mars-Riegel als Trost für meine Entbehrungen in der Kindheit.

Am Vormittag lümmele ich meistens im Zimmer der Queen Mum herum. Ich spüre es, wenn ein mühsamer Gast oder ein Beamter sie langweilt, und versuche ihr zu helfen, damit sie sich beeilen. Wir sind eben Einmann-Hunde, daher neigen wir dazu, andere Leute zu schnappen - ich meine sie neckisch zu kneifen, ein paar Hosen aufzuschlitzen, ein paar Jacken zu zerreissen, alles nur im Spass.

Als ich kleiner war, kriegte ich manchmal hinterhältige Fusstritte. Jetzt trauen sie sich nicht mehr. Ich bin zu schlau. Ich weiss es immer so zu richten, dass die Queen Mum es sieht, und bingo! sie werden sofort entlassen. Zur Zeit habe ich die Prinzessin Michael*) im Auge. Ich habe kürzlich gehört, wie sie sich abschätzig über Corgis äusserte und was sie mit ihnen machen möchte. Das wird sie noch bedauern.


Am Nachmittag geht die Queen Mum normalerweise selbst mit uns spazieren, falls wir uns nicht anderswo herumtreiben. Ich hasse es, zu fliegen. Die offenen Treppen machen mir Angst. Aber ich liebe die Britannia. Überall sind neue Teppiche verlegt und Dash und ich haben unseren Spass damit, unsere Spuren zu hinterlassen. Jetzt folgen uns immer zwei Matrosen, der eine mit einer Syphonflasche und der andere mit einem Mopp.

Fast jeden Nachmittag werde ich gebürstet. Sie tut es oft selbst. Nun, viel Arbeit ist es eigentlich nicht. Wir brauchen nur einen guten Kamm und eine Drahtbürste. Vielleicht hie und da ein Flohmittel. Auch meine Krallen werden geschnitten. In meinem Alter ist das notwendig. Sonst spreizen sich die Pfoten.

Abgesehen davon, bin ich für einen 6-jährigen Knaben immer noch in ausgezeichneter Form. Sehen Sie sich nur meine Zähne an. Schöne Farbe, sagen alle. Nun, sie sagt es, und sie sollte es wissen. Schliesslich hat sie seit fast 60 Jahren Corgis. Daher kam auch die Queen auf uns.

Das Nachtessen um 17 Uhr ist der Höhepunkt des Tages. Manchmal hab ich solchen Hunger, dass ich ein Pferd verschlingen könnte. Was ich auch schon getan habe. Aber erwähnen Sie das nicht. Sonst kommen Tierschützer und ketten sich an den Zaun. Übrigens fresse ich gar kein Pferdefleisch mehr. Heutzutage ist es meistens rohes Rindfleisch, ungefähr ein halbes Pfund, und ein Keks. Der Diener bringt es auf einem Tablett und breitet ein Plastiktuch aus. Normalerweise mischt sie das Futter für mich. Wenn sie guter Laune ist, gibt sie noch ein wenig Bierhefenextrakt (Marmite) dazu. Lecker! Wenn sie schlechter Laune ist und sich in den Kopf gesetzt hat, ich hätte Würmer, gibt sie einen Löffel Lebertran dazu. Puh! Das verdanke ich dem letzten Krieg.

Wir verbringen den Abend zusammen und machen es uns vor dem Kamin gemütlich. Zu dieser Jahreszeit ist nur ein elektrisches Glühelement eingeschaltet. In unserem Haus gibt es nur wenige moderne Bequemlichkeiten. Sie friert leicht, nun sie ist schliesslich 90 und ich werde auch nicht jünger.

So gegen 10 Uhr abends nicke ich ein und sie bringt mich normalerweise zu Bett. Ich träume oft von Windsor, wo ich wahrscheinlich enden werde, im Hundefriedhof bei den anderen königlichen Corgis. Manchmal wache ich jäh auf; ich bilde mir ein, dass Chipper auf mich wartet.

*) Gattin von HRH Prince Michael of Kent.

Autor unbekannt
Aus dem Englischen: ANo


100. Geburtstag der Königinmutter im August 2000

Top

www.welshcorgi-news.ch
21.05.2011