Samson, Retter in der Not
Brian Delinte mit
Samson
Es war ein kalter, bedeckter Tag Ende Dezember 2005 und es war
windstill, eine Seltenheit im äussersten
südwestlichen Zipfel von Alberta. Der Chinook (ein
föhnartiger Fallwind auf der Ostseite der Rocky Mountains)
hatte nicht nur Vorteile gebracht. Die wärmeren
Temperaturen waren angenehmer für das Vieh, dauerten aber
nicht lange genug an, um Schnee und Eis zu schmelzen, sondern
nur gerade lang genug, dass sämtliche Wege vereisten. Das
ist schlimm genug auf der Prärie, aber am unmittelbaren
Rand der Rocky Mountains kann es lebensgefährlich sein.
Brian Delinte betreibt eine Rinderfarm in der Nähe von
Pincher Creek, Alberta, und arbeitet mit Border Collies. Vor
ein paar Jahren kaufte er einen schwarz/weissen Cardigan Corgi
als Geschenk für seine Tochter. Samson ist am liebsten
draussen und will immer mit, wenn Brian ausreitet, um zu seinem
Vieh zu schauen. Brian versucht immer wieder, dem Corgi
beizubringen, dass er zu Hause bleiben soll, aber vergeblich,
und eines Tages sollte sich diese Störrischheit als
Vorteil erweisen.
Brian ritt einen 5-jährigen Fuchswallach, der schon ganz
gut dressiert war, aber noch Erfahrung brauchte. Die Herde von
150 Angus-Rindern zu überprüfen, würde ein gutes
Training für ihn sein. Samson wollte wie üblich mit,
wurde aber nach nur gut 200 m nach Hause geschickt. Auf seine
typische Art ging er aber nur bis zu den Bäumen und
lungerte dort herum, es könnte ja sein, dass er gebraucht
würde.
Brian nahm es gelassen und ritt ruhig weiter, als er ein
verletztes Rind entdeckte. Er warf das Lasso, fing das Tier
aber nur am oberen Teil des Kopfes. Das Rind rannte los,
gefolgt vom Pferd, einen Hügel hinunter. Auf dem vereisten
Gelände kam es schnell zur Katastrophe. Das Pferd verlor
den Halt und stürtzte. Dabei wurde Brians Bein unter dem
Pferd eingeklemmt und noch immer rutschten sie den Hang
hinunter. Das tat dem Bein nicht gerade gut, aber es sollte
noch schlimmer kommen. Genau in der Mitte der "Rutschbahn"
ragte ein 15 cm grosser viereckiger Stein aus dem Eis und Pferd
und Reiter schlitterten darüber hinweg, wobei Brians Bein
sozusagen als Stossdämpfer diente und arg zerquetscht
wurde. Schliesslich kam die Rutschpartie zum Halten.
Das Pferd war unverletzt und kam mühelos auf die Beine.
Brian hielt sich am Zügel fest und wurde ein Stück
mitgeschleift. Pferde sind es gewohnt, Kühe zu ziehen,
nicht aber verletzte Menschen. Als das Pferd still stand,
versuchte Brian auf die Füsse zu kommen, hatte aber keine
Kontrolle über sein Bein, der untere Teil schlenkerte
kraftlos hin und her. Er hielt sich immer noch am Pferd fest
und nach einigem Fluchen kam ihm in den Sinn, dass Samson
bestimmt noch in der Nähe war. Er rief nach ihm und ganz
richtig, Samson trieb sich immer noch bei den Bäumen
herum. Als er seinen Namen hörte, kam er angerannt und
landete hoch erfreut auf dem kaputten Bein. AUAHH **#@#**!!!
Bei einem solchen Ausbruch würde Samson normalerweise in
Deckung gehen, aber er blieb.
Brian hatte das Gefühl, dass Samson spürte, dass
etwas nicht stimmte. Unter grossen Schmerzen entfernte Brian
die Sporen vom Stiefel an seinem gesunden Bein und versuchte,
sie Samson um den Hals zu legen. Weil dieser zu dick war,
steckte er die Sporen in Samsons Halsband; nun schleiften sie
am Boden und schlugen gegen Samsons Beine. Darauf schickte
Brian den Hund nach Hause, was einige Überzeugung
erforderte, war es doch das einzige Kommando, dem Samson nur
selten nachkam.
Zuerst begab Samson sich zur Stelle, wo die Border Collies
angebunden waren. Es war als wollte er bei den erfahrenen
Viehhunden Hilfe holen. Brian sah, was geschah und brüllte
dem Hund zu, er solle nach Hause gehen. Er musste den Hund
unbedingt dazu bringen, ihn und die anderen Hunde zu verlassen.
Schliesslich machte Samson sich auf den Weg und kletterte
mühsam die 14 Stufen der offenen und vereisten Holztreppe
zur Terrasse hinauf. Dort, auf der Vorderseite des Hauses, ging
er auf und ab. Klack, klack, klack ... klapperten die Sporen
über den Holzboden.
Neugierig geworden ob dem mekwürdigen Geräusch kam
Brians Tochter Rae aus dem Haus und erblickte Samson mit den
Sporen, die immer noch in seinem Halsband steckten. Sie nahm
ihm die Sporen ab und schaute hinaus auf die Felder und Wiesen.
Dort entdeckte sie den gesattelten Fuchswallach ohne Reiter! Wo
war ihr Vater? Ruhig begab sie sich sofort zum Pferd, fing es
ein und ritt es in den Stall zurück. Dann startete sie den
schweren Dieseltruck und fuhr hinaus aufs Feld. Mit Hilfe eines
Viehstocks, eines Scheibenwischers und Klebeband bastelte sie
eine provisorische Beinschiene. Brian fand, dass die Schmerzen
etwas nachliessen, sobald das Bein geschient war. Mit Raes
Hilfe stemmte Brian sich rücklings auf den Rücksitz
des Trucks und los ging's zum Pincher Creek Spital.
Das Röntgenbild zeigte sieben Brüche an der Stelle
des Aufpralls auf den Stein und zwei weitere Brüche
oberhalb. Im Spital erkannte man, dass Brian die Hilfe eines
Spezialisten brauchte, und schickte ihn mit dem Krankenwagen
auf eine holperige Fahrt nach Lethbridge. Für Brian begann
eine lange Leidenszeit mit viel Morphin gegen die
unsäglichen Schmerzen. Die Knochen wurden mit einem Nagel
und vier Schrauben zusammen gehalten. Wegen fehlender
Blutzirkulation musste das Bein auf beiden Seiten
aufgeschnitten werden, um den Druck zu mildern. Schliesslich
wurde die Wunde innen aber nicht aussen zusammengenäht.
Als Brian langsam wieder zu Kräften kam, meinte einer der
Spezialisten, dass Samsons Rolle nicht unterschätzt werden
dürfe. Hätte es nur eine Stunde länger gedauert,
bis Brian ärztliche Hilfe bekam, hätte sein Bein
wahrscheinlich amputiert werden müssen. Es waren so viele
Blutgefässe blockiert, dass es ziemlich sicher zu
Wundbrand gekommen wäre.
Für Oststaatler ist es im 21. Jahrhundert schwer zu
fassen, dass es draussen in den abgelegenen Gebieten, wo die
Farmen sind, keinen Mobilfunk gibt. Brian kann wieder normal
gehen und reiten, aber es war eine lange und anstrengende Zeit
für ihn und seine Familie. Dass es ein Happy End gab, ist
einem schwarz/weissen Corgi namens Samson zu verdanken, der
nicht nach Hause wollte, sondern im Gebüsch herumlungerte
bis er gebraucht wurde. Vielleicht bestehen die Corgis deshalb
darauf, immer in unserer Nähe zu sein? Sie
befürchten, dass wir uns in eine Situation bringen
könnten, aus der wir allein nicht mehr rauskommen.
Aus der Newsletter des Canadian Cardigan Corgi Club.
Mit freundlicher Genehmigung von Lore Lee Bruder, Alberta,
Kanada
Ebenfalls von Lore Bruder ist folgender Bericht:
Meine Cardigan Hündin
Druid ist in der Tat eine Heldin. Sie ist nicht nur
Schönheitschampion sondern auch völlig furchtlos,
wenn es drauf ankommt.
An einem späten Abend hatte eine friedliche Kuh, die wir
wegen eines Scheidenvorfalls in den Korral gebracht hatten, ihr
Kalb geworfen, wobei sein Kopf beim Fall unter seinen
Körper geraten war, was ein sicheres Todesurteil bedeutet.
In der Gewissheit, dass es eine ruhige Kuh war, betrat ich den
Korral, um den Kopf des Neugeborenen mit einem leichten Ruck
frei zu bekommen.
BUMM - ich krachte in die Umzäunung.
Ich klammerte mich in der Ecke an die Planken, während die
Kuh mit ihrem Gewicht von rund 600 kg immer wieder den Kopf in
mein Kreuz stiess, und hatte nur einen Gedanken: "Nicht
loslassen, denn wenn sie dich runter kriegt, bist du verloren".
Es tat höllisch weh. Dann sah ich, dass Druid an der Wange
der Kuh hing und wie ein Lumpen hin und her geschleudert wurde,
während die rasende Kuh versuchte, sie abzuschütteln.
Ich sprang auf und über den Zaun. Ich rief meinem Hund und
wir lagen beide - ausserhalb des Korrals - eine Weile keuchend
auf der Erde. Mir tat jeder Knochen weh und Druid hatte einen
Zahn verloren. Und das Kalb? Es überlebte!
Ein Hund braucht nur einmal dein Leben zu retten, und du wirst
diesen Hund für immer lieben, ungeachtet wie viele Haare
er auf dem Sitz deines Trucks hinterlässt.
Lore Bruder betreibt eine Rinderfarm in Alberta, Kanada. Sie
züchtet Cardigan Corgis unter dem Zwingernamen Bluetrix,
und braucht die Corgis auch als Arbeitshunde auf der Farm. Das
Foto zeigt zwei ihrer Hunde bei der Arbeit.
Übersetzung: ANo
06.01.2011
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