Ein "Ammenmärchen"

1. Teil von Carol Phelps

Sonntag der 9. März 2006 war ein betriebsamer Tag gewesen. Mit acht 7½ Wochen alten Vizsla Welpen im Haus und Familien, die ihre zukünftigen Welpen besuchten, hatte ich alle Hände voll zu tun. Erst gegen Abend kehrte langsam Ruhe ein. Ich schaltete den Computer ein, um nach Emailnachrichten zu schauen. Plötzlich tauchte auf dem Bildschirm eine Instant Message von einer befreundeten Züchterin in Delaware auf. Sie erkundigte sich, ob ich jemanden wüsste, der eine Hündin besass, die als Amme für einen Wurf Welpen in Frage käme.


"Demi" - Am.Ch. Cornerstone Visions Denim N Lace
(12.08.01-05.03.06)

Holly, eine ihrer Freundinnen, hatte soeben ihre schöne Cardiganhündin Demi und 2 von 10 Welpen bei einem routinemässigen Kaiserschnitt verloren. Demis zweiter Wurf war sorgfältig geplant worden und die Trächtigkeit verlief genau nach Schema. Allerdings war Demi sehr umfangreich geworden und Holly machte sich Sorgen, dass die Grösse des Wurfs für Demi zuviel werden könnte. Eine Röntgenaufnahme hatte 9, möglicherweise 10 Welpen gezeigt und Holly hatte zur Sicherheit einen Termin für einen Kaiserschnitt vereinbart. An jenem Sonntagmorgen spazierte Demi schwanzwedelnd in die Tierarztpraxis und starb während des Eingriffs an einem Herzstillstand.

Natürlich war Holly vom Verlust Demis zu tiefst betroffen. Es gelang ihr, Ziegenkolostrum zu beschaffen und zusammen mit einer Freundin die verbleibenden 8 Welpen mit der Flasche zu füttern. Jeder, der einmal einen Welpen mit der Flasche aufgezogen hat, weiss wie schwierig es wäre, 8 Welpen ohne Mutter durchzubringen. Sondenfütterung wäre auch eine Möglichkeit, die aber nicht ohne Risiko ist. Also versuchte Holly, für die Kleinen eine Amme zu finden.

Die Gedanken schossen mir durch den Kopf - Kestrel, die Mutter meiner Welpen hatte vor 9 Tagen mit dem Stillen aufgehört. Sie ist nicht mehr ganz jung, und die Chance, dass die Milch wieder zulaufen würde, war gering. Sogleich dachte ich an Patsy's Hündin Nellie, die vor wenigen Tagen drei Welpen zur Welt gebracht hatte. Nellie war grössere Würfe gewohnt und hatte wimmernd nach mehr Welpen gesucht. Das könnte eine gute Lösung für Nellie und die Corgis sein.

Nach sorgfältiger Abwägung der Vorteile und Risiken willigte Patsy ein, Nellie als Amme für die Corgis zur Verfügung zu stellen. Nellie befand sich in Malden, MA, nördlich von Boston, und Demis Wurf war in Albany, NY. Weil Holly völlig erschöpft war und ihr eine fünfstündige Fahrt nach Malden nicht zugemutet werden konnte, beschlossen wir, Nellie und die Welpen bei mir in Marlborough, CT zusammenzuführen. Das bedeutete eine Fahrt von ca. 2 Stunden für Holly und 3 Stunden für Patsy. Ich bin fast immer zu Hause und konnte so die Eingliederung der Corgiwelpen während der ersten Woche überwachen. Patsy traf sich mit ihrer Freundin Leah auf halbem Weg und übergab ihr Nellie und die drei Welpen, um sie zu mir nach Connecticut zu bringen, während Holly mit den Corgiwelpen von Albany nach Connecticut fuhr. Unterdessen machten mein Sohn und ich die Wurfkiste, das Babyfon und den Raum für die Neugeborenen bereit. Leah und Holly trafen kurz nacheinander um 23.30 Uhr ein.

Wir rieben die Corgiwelpen an den Vizslawelpen, damit sie ihren Duft aufnahmen und schon bald stillte Nellie die Corgibabys. Nur wollte sie sie nicht richtig säubern. Holly schlief bei Nellie und den Welpen und im Laufe der Nacht akzeptierte Nellie die Corgiwelpen als ihre eigenen.

Am nächsten Morgen, Montag, kehrte Holly nach Hause zurück, und ich brachte die Corgiwelpen zum Tierarzt zum Entfernen der Afterkrallen. Als wir zurück kamen, war Nellie erneut etwas verwirrt, sie stillte die Welpen, schien aber keine grosse Lust zu haben, die Corgis zu säubern. Am Ende dieses ersten vollen Tages waren die Corgis jedoch genau so Nellies Welpen wie ihre eigenen. Sie waren "Corglas" geworden.


Nellie mit den 11 Welpen

Am Dienstag kamen Holly und ihr Mann Leonard, um sich den Wurf anzuschauen und die Babys zu fotografieren. Es war interessant, ihnen zuzuhören, wie sie die verschiedenen Farben und Zeichnungen diskutierten - dazu haben wir Vizsla-Leute ja keine Gelegenheit. Der Wurf bestand aus blue merle und tricolor Welpen mit interessanten Zeichnungen. Mein Liebling war das kleine schwarze Mädchen mit der Blesse in der Form eines Stundenglases und der kleine schwarze Junge mit dem kleinen diamantförmigen Fleck auf der Stirn, der während den ersten Tagen etwas Hilfe brauchte, um an die Zitze zu gelangen.

Nellie, ihre Vizslawelpen und die Corglas waren fast eine Woche bei mir und die Welpen gediehen bei Nellies liebevoller Pflege. Es war interessant, zu beobachten, dass Nellie, als ihre eigenen Welpen etwas älter waren, die Wurfkiste nicht wie sonst üblich öfter und für längere Zeit verliess, sondern ihre "kann-die- Kiste-nicht-verlassen"-Stillzeit dem jüngeren Corgiwurf anpasste. Sie war eine sehr fürsorgliche Mutter.

Patsy, ihr Mann Bob und Sohn Eric kamen am Samstag und brachten Nellie und die Welpen zurück nach Malden, wo für die Corglas das nächste Kapitel ihres Abenteuers beginnen sollte.

2. Teil von Patsy Dahlinghaus

Als wir Carols Haus mit Nellie und den Corglas verliessen, wurde mir plötzlich bewusst, welch grosse Verantwortung ich mit diesem Wurf übernahm. Demi hatte für diese Welpen ihr Leben gelassen und die Welpen bedeuteten für Holly und Leonard sehr viel. Die Wurfkiste war immer noch da, und die Jungen sorgten dafür, dass alles sauber und bereit war, um Nellie und die Welpen wieder zu Hause zu empfangen.

Die Vizslas waren nun 10 Tage alt und begannen, Augen und Ohren zu öffnen. Die Corgis waren 6 Tage alt und suchten und kämpften immer noch um die Zitzen. Es war lustig, zu beobachten wie die Corgis sich mit aufgerichteten und wedelnden Schwänzchen einen Weg durch die dicken Vizslas bahnten. Vola, meine andere Vizsla Hündin, übernahm den "Geschäftchen-Dienst" und Nellie liess sie gerne gewähren.

Holly rief regelmässig an und wir unterhielten uns über die Unterschiede zwischen den beiden Rassen. Die Corgis waren geräuschvoller als die Vizslas und, bevor sie die Augen öffneten, verbrachten sie viel Zeit schlafend auf dem Rücken. Wir schickten regelmässig Fotos an Holly, damit sie sehen konnte, wie sich ihr "Traumwurf" entwickelte.


Dank dem, dass sie die Milchbar mit 8 resoluten Corgis teilen mussten, die keine Mühe hatten, sich an die Zitzen vorzukämpfen, nahmen die viel zu dicken Vizslas ab und kamen so schnell auf die Beine. Die Vizslas wogen um die 4 Pfund und die Corgis um die 2 Pfund. Mit 14 Tagen begannen auch die Corgis die Augen zu öffnen und kamen auf ihre kurzen Beine. Ich bemerkte, dass sie sich sicherer bewegten als die Vizslas und immer noch viel lauter waren. Nellie wirkte langsam etwas müde und es war Zeit, die Welpen zu entwöhnen. Die Corgis begriffen erstaunlich schnell. Mit aufgerichteten Schwänzchen und ständig quasselnd steuerten sie auf den Futternapf zu, und jetzt waren es die Vizslas, die sich einen Weg zum Futter bahnen mussten. Einer der Corgis stieg jeweils in den Napf und frass im Kreis herum.

Sobald die Welpen auf den Beinen waren, kamen sie in den Welpenauslauf, wo sie intensiv miteinander spielten. Auch die Kinder aus der Nachbarschaft kamen, um mit den Welpen zu spielen, und begannen, ihnen Namen zu geben. Anhand ihrer Farben und Zeichnungen sind Corgiwelpen leichter zu identifizieren. Vizslas müssen oft farbige Halsbändchen tragen, damit man sie voneinander unterscheiden kann.

Am Ende der dritten Woche waren die Corglas grösstenteils entwöhnt und es war Zeit für sie, nach Hause zu gehen, obwohl uns der Abschied von ihnen schwer fiel. Nellie schaute zu, als Eric und ich "ihre" Corgibabys in die Transportkiste luden. Sie leckte sie noch einmal und wir begaben uns auf den Weg zu Holly und Leonard. Es war für uns alle ein sehr emotionaler Augenblick, als wir uns zum ersten Mal trafen; für Holly und Leonard zu sehen, wie sich ihr "Traumwurf" entwickelt hatte und für uns zu wissen, dass Nellie den Corgis zu einem guten Start ins Leben verholfen hatte.


5 von Demis Welpen mit 12 Wochen

Hoffentlich kann die Freude an diesem Wurf die Trauer um den Verlust von Demi etwas mildern. Sie hat mit diesen Welpen ein wunderschönes Vermächtnis hinterlassen.

Aus CWCCA Bulletin, Herbst/Winter 2006 mit freundlicher Genehmigung der Redaktion
Übersetzung: ANo

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20.10.2011