"Einer wird ihn bestimmt nehmen!"
Von S. Johnsson

Zu den Aufgaben eines Tierarztes gehört auch das Einschläfern eines Tieres - immer eine unbehagliche Aufgabe, denn einem natürlichen Instinkt folgend will man lieber Leben retten als Leben nehmen. Trotzdem ist es eine Aufgabe, die man auf sich nimmt, wenn eine Verlängerung des Lebens gleichzeitig eine Verlängerung des Leidens bedeuten würde.

Wie verschieden sind jedoch die Gefühle, wenn man gebeten wird, einen gesunden Welpen einzuschläfern, weil für ihn kein Zuhause gefunden werden kann. Auch wenn es auf eine Weise geschieht, wobei der Welpe nichts merkt, fühlt man sich trotzdem wie ein Mörder. Ist es daher verwunderlich, dass Tierärzte dazu neigen, eine äusserst unterschiedliche Anzahl Hunde zu besitzen? Welcher Tierarzt-Haushalt hat nicht mindestens einen Hund, der zur Klinik gebracht wurde, um eingeschläfert zu werden. Vielleicht ist es ein Hund der einen oder anderen Rasse, aber meistens handelt es sich um Mischlinge.

Bei meinem letzten Erwerb hatte ich Glück. Ich wurde der Besitzer eines Aristokraten - wenn auch eines unkonventionellen Aristokraten.

Es war an einem düsteren und saukalten Nachmittag im Februar 1963, als ich ihn zum ersten Mal sah. Nach einer schlingernden und schlitternden Fahrt auf der vereisten Strasse, kam mein Wagen vor der Klinik zu stehen und ich stieg aus erleichtert, dass ich heil angekommen war.

Ich wurde von einer Bekannten erwartet, einer Züchterin, die in ihren Armen ein in eine Decke eingewickeltes Bündel trug. Das Bündel entpuppte sich als ein zwei Tage alter Pembroke Welpe. Es war ein sogenannter Whitely, d.h. er hatte zu viel Weiss, und Frau X war offensichtlich todunglücklich, dass sie mich bitten musste, ihn einzuschläfern. Als ich ihr sagte, dass einer meiner Bekannten ihn bestimmt nehmen werde, war sie sichtlich erleichtert und eilte nach Hause, um den Welpen wieder mit seiner Mutter zu vereinen.


Whitely

"Einer wird ihn bestimmt nehmen!". Gleich als ich den eigenartig gefärbten Welpen gesehen hatte, wusste ich, wer dieser "Einer" war. Trotzdem tat ich mir und auch meiner Frau gegenüber so, als ob dieser "Einer" nicht ich selbst sei. Schliesslich hatten wir bereits zwei Hunde. Was sollten wir mit einem Dritten? Der Gedanke war völlig absurd! Ich wusste aber auch, dass sobald meine Frau und unser jüngster Sohn (der einzige, der noch zu Hause wohnte) den gescheckten Welpen zu sehen bekamen, ich mein Leben darauf wetten könnte, dass sie ihn unbedingt behalten wollten, falls ich vorschlagen würde, ihn wegzugeben.

Die Vorgehensweise war daher klar. Ich musste mich einfach ruhig verhalten, den Welpen während neun bis zehn Wochen bei seiner Mutter lassen und dann dafür sorgen, dass er plötzlich im Haus war. Es ging alles nach Plan. Ianto - wie er genannt wurde - tapste eines Tages in die betriebsame Küche meiner vielbeschäftigten Frau und wie ich erwartet hatte, wurde er sofort als Familienmitglied aufgenommen.

Alasdair war ausser sich vor Freude. Hier war ein junger Hund, der ähnliche Einfälle hatte wie er. Bald verband den Knaben und den Welpen eine enge Freundschaft, so dass, als Ianto alt genug war, es mit einem beinahe 7-jährigen Knaben aufzunehmen, die beiden stundenlang miteinander spielen konnten. Es war aber kein willkürliches Gerangel. Sie hatten feste Regeln und Vereinbarungen. Jeder wusste, was von ihm als nächstes erwartet wurde. Diese Spiele halten bis heute an und soweit wir wissen, gab es nie ein böses Wort oder ein Missverständnis zwischen den beiden.

Nie zuvor hatten wir einen so sauberen Welpen wie Ianto. Ich kann mich nicht erinnern, dass er sich jemals im Haus versäubert hat. Aber noch nie war ich einem Welpen begegnet, der so reisekrank war wie er. Er konnte im Auto keine 50 Meter fahren, bevor er anfing zu sabbern. Und nach 300 Metern erbrach er seine letzte Mahlzeit, oder was davon übrig war, auf den Boden. Man sollte glauben, dass er danach nichts mehr hervorwürgen könnte, aber da irrte man sich. Alle 400 Meter erbrach er sich. Er war völlig erledigt und unglücklich. Ich versuchte, ihn mit vollem Magen mitzunehmen, ebenso mit halbvollem und mit leerem Magen, aber es spielte keine Rolle. Spätestens nach rund 300 Metern wurde ihm schlecht.

Das war ein harter Schlag, denn ich hatte gehofft, dass Ianto mich auf meinen Runden begleiten und als Bewacher des Wagens oder auf andere Weise dienen könnte. Es schien, als ob meine Erwartungen enttäuscht werden würden. Ich machte jedoch beharrlich weiter und nahm ihn jeden Tag mit. Langsam entwuchs er dieser Schwäche und im Alter von sechs Monaten wurde er zum routinierten Passagier ohne Anzeichen von Übelkeit im Auto, von Erbrechen ganz zu schweigen.

Ich hatte damit gerechnet, dass man mich auf Grund seines gescheckten Äusseren aufziehen würde, aber da lag ich völlig falsch. Ganz im Gegenteil fragten mich viele Leute, ob ich für sie einen solchen Corgi finden könne, weil sie seine Färbung der normalen vorzogen. Aus praktischer Sicht war seine ausgedehnte Weisszeichnung bestimmt von Vorteil, weil man ihn nachts oder bei schlechtem Wetter viel besser sehen konnte.

Als Ianto ungefähr sechs oder sieben Monate alt war, begann er ein ausgesprochenes Interesse für Rindvieh zu zeigen. Er fühlte sich wohl bei den Tieren. Er war fast nicht zu halten, wenn Vieh in der Nähe war. Das war eine interessante Entdeckung. Es muss mehrere Generationen her sein, dass seine Ahnen als Viehtreiber gebraucht wurden, aber der angestammte Instinkt war bei ihm immer noch ausgeprägt. Es wäre daher schade, ihn nur als einfachen Auto-Bewacher zu beschäftigen. Seine natürlichen Instinkte sollten gefördert und genutzt werden. Also fing ich an, ihn abzurichten, denn ein Hütehund ist nutzlos, wenn er nicht unter Kontrolle ist.

Ianto erwies sich als williger Schüler und schon nach wenigen Wochen machte er Platz oder kam auf Kommando, indem er Stimme - Pfeife - oder Handsignalen gehorchte. Er ist furchtlos im Umgang mit Vieh und in kürzester Zeit war er eine gute Hilfe bei meiner Arbeit. Er treibt aber die Tiere nicht zusammen. Dazu braucht es einen Hund mit längeren Beinen und einem, was in Collie-Kreisen "starren Blick" genannt wird. Corgis haben normalerweise keinen "starren Blick". Sie sind nicht dazu geschaffen, die Tiere zusammen zu treiben.

Ianto ist jedoch ein ausgezeichneter Treibhund und es ist interessant, ihn bei der Arbeit zu beobachten. Wenn die Herde sich im passenden Tempo bewegt, trabt er einfach hinterher und hält sie allein durch seine Gegenwart in Bewegung. Falls eines der Rinder nachhinkt, rennt er hin und gibt vor, zu schnappen. Handelt es sich um ein richtig stures Tier, wird er zuschnappen und die Züchtigung steigern, bis das Rind pariert. Er liebt seine Arbeit und ist mit zunehmender Erfahrung eine wertvolle Stütze für mich geworden. Letztes Jahr wurde er offiziell als Gebrauchshund anerkannt und dadurch von der Hundesteuer befreit.

Ich glaube, dass Corgis vermehrt als Viehtreiber gebraucht werden könnten, als allgemein angenommen wird. Das war ja ihre ursprüngliche Aufgabe. Es ist offensichtlich, dass der Instinkt für diese Arbeit in einigen, wenn nicht allen heutigen Corgis immer noch schlummert. Er wartet nur darauf, geweckt und genutzt zu werden.

Was mich betrifft, so bin ich froh, dass ein Corgi Welpe "zu viel Weiss" hatte und dadurch zu einem geschätzten Mitglied der Familie und nützlichem "Laien-Assistenten" für mich wurde.

Aus The Welsh Corgi League Handbook 1965
Übersetzung ANo

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22.08.2013