Winter im hohen Norden
von Anne Indergaard, "Annwn Corgis", Trondheim

Es ist die düsterste Zeit des Jahres. Es ist dunkel, wenn die Leute am Morgen zur Arbeit gehen, und es ist dunkel, wenn sie am späten Nachmittag wieder nach Hause kommen. Wir, die etwas privilegierter sind, können am Morgen noch etwas länger beim Frühstück verweilen und in aller Ruhe die Zeitung lesen, bis es etwas heller wird. Aber auch dann liegt das, was als Tageslicht bezeichnet wird, schwer auf den Augenlidern. Der Himmel wölbt sich wie eine bleierne Glocke über die Landschaft. Aber als Hundebesitzer muss man raus, auch wenn man sich wie ein Schlafwandler fühlt.

Der Winter kam spät, der Herbst war ungewöhnlich lang, nass und mild. Selbst jetzt, im Mittwinter, liegt nur ganz wenig Schnee und täuscht etwas Helligkeit vor. Aber während der Nacht legte der Schnee eine weiche Decke über das Land. Es ist Frostwetter, die Fichten sind in Schnee gehüllt, die Birken und anderen Laubbäume von Rauhreif überzogen, eine Landschaft in Schwarz-, Weiss- und Grautönen. Es ist nicht verwunderlich, dass die Menschen auf diesen Breitengraden Lichttherapie brauchen. Unser Spaziergang führt wie üblich über das Moor zum Wasser. Das gefrorene Wasser ist graublau wie der Himmel über uns. Kommt wohl noch mehr Schnee oder wieder Regen? Das einzige vernehmbare Geräusch ist das Piepsen der Dompfaffe, die mit ihren Molltönen die düstere Stimmung noch verstärken.


Gimpel oder Dompfaff

Aber die Hunde leiden nicht unter Mittwinterdepressionen und das Wetter ist ihnen egal. Sie schnuppern und schnüffeln, huschen dahin und dorthin und lesen die "Naturzeitung". Dort riecht es nach Elch und hier kreuzte unser alter Freund der Fuchs den Weg. Sie verfolgen die winzigen Spuren der Mäuse und bohren die Nase in das Loch, wo die Maus verschwand. Zwischendurch rennen sie im Kreis oder ziehen eine Acht vor lauter Lebensfreude. Ein schwarz-weisser Cardigan verfolgt von einem kleineren rot-weissen Pembroke. Die zwei jungen Hündinnen sind unzertrennlich und genau so zu Streichen aufgelegt wie Max und Moritz, aber natürlich viel charmanter. Die erwachsenen Hunde betrachten sie mit Nachsicht, lassen sich aber von den Jungen ebenfalls dazu hinreissen, ein paar Runden zu ziehen. Im Wald finden sie gefrorene Heidelbeeren und Preiselbeeren, die sie als alles verschlingende Vielfrasse genüsslich vertilgen.


In dieser fröhlichen Gesellschaft kann ich beim besten Willen nicht länger der Schwermut verfallen und meine Augen entdecken die Schönheit, welche diese monochrome Landschaft trotz allem in sich birgt. Und merkwürdigerweise verschwindet bei steigender Gemütsstimmung auch die Müdigkeit in den Beinen, und ich schaffe das letzte Stück bis zum Gipfel des Hügels mit Leichtigkeit. Im Tannenwald ist es still und dunkel, merkwürdig dass der Förster mit seiner Axt die Bäume noch nicht zum Tode verurteilt hat. Aber ich und der Specht, der eifrig eine dürre Tanne bearbeitet, sind froh, dass die Waldarbeiter noch nicht gekommen sind.

Oben angekommen geniesse ich die Aussicht. Dieser Blick in die Weite ist selbst an einem grauen Mittwintertag wie Balsam auf die Seele. Und das Wunder geschieht: Am Horizont öffnet sich ein Spalt von Gelb, die Sonne liegt tief und bleich über der Hügelkette und färbt die Tannenspitzen über mir. Nie ist die Sonne schöner als im Mittwinter, wenn sie ihre Strahlen noch sparsam verteilt. Voller Optimismus mache ich mich auf den Heimweg. Die Sonne ist wieder da, ein Zeichen dafür, dass der Frühling auch dieses Jahr wieder kommt.


Übersetzung aus dem Norwegischen ANo

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20.01.2012