Leih mir deine Ohren! - Folge 4
Von Joan B. Guertin

Piper
Piper war der Corgi, mit dem ich vom Anfang bis Ende arbeitete. Ich fand den vier Monate alten Welpen für einen Klienten, der von drei Organisationen abgewiesen worden war. Meine Liebesbeziehung zu dem kleinen tricolor Corgi, einem Sohn meines Oliver, Am./Mex.Ch. Cypress Red Ryder, CD, PT, CGC (letztere sind Arbeitstitel, die ungefähr "Begleithund", "Vorprüfung für Hüteprüfung" und "Hundehalterbrevet" entsprechen) begann im Sommer 1995.

Nach einem Wesenstest, der zeigte, dass der Welpe das selbständige und aufmerksame Wesen besass, den ich für meine Arbeit bevorzuge, begannen wir mit der zweijährigen Ausbildung, die gründliche Sozialisierung, Obedience und Fähigkeitstraining umfasst. Bis auf die letzten sieben Monate nach meinem Umzug von Kalifornien nach Missouri war der Besitzer bei jedem Training dabei, so dass sich die Bindung zwischen ihm und Piper schon früh festigte.

Einer der Gründe, warum ich es persönlich vorziehe, einen Hörhund in einem privaten Heim anstelle einer Institution zu trainieren, ist die natürlichere Umgebung. Der Hund lebt bei seinem Trainer und die Art der Arbeit gestaltet sich so ziemlich wie nach der Übergabe an den Besitzer. Hunde, die von Institutionen ausgebildet werden, sind nach den ersten 12-15 Monaten, die der Welpe bei einer Patenfamilie verbringt, normalerweise monatelang in Zwingern untergebracht. Während des Aufenthalts bei der Patenfamilie geht wertvolle Zeit mit Signaltraining verloren, weil die Patenfamilie normalerweise nicht weiss, wie sie eine Verbindung zwischen den Geräuschen und der Aufgabe des Welpen herstellen soll. Dazu kommt, dass die meisten Patenfamilien normalhörend sind, so dass sie, auch wenn sie etwas Signaltraining machen, nicht konsequent sind, weil sie die Geräusche hören und selbst darauf reagieren, ohne dem Hund eine Möglichkeit zu geben, seine Arbeit zu machen.

Wenn ich einen Hund in meinem Heim aufnehme und Signalarbeit trainiere, wird der Hund von meinen Hunden lernen, die alle annehmen, dass ich die Geräusche rund herum nicht wahrnehme. Ich muss vorgeben, dass ich schwerhörig bin, damit die Hunde arbeiten. Ihre Aufgabe ist es, dem Besitzer das Geräusch ausnahmslos anzuzeigen.

Tatsächlich war es dank Pipers Aufenthalt bei uns, dass Flash als Signalhund zertifiziert wurde. Nachdem ich Piper im Januar 1997 seinem Besitzer in Kalifornien übergeben hatte, dachte ich, dass ich nun zu meinem normalen Alltag zurückkehren konnte. Als das Telefon zum ersten Mal klingelte, kam Flash zu meinem Stuhl gerannt, gab mir ein Zeichen und rannte zurück zum Telefon, bevor ich mich überhaupt erheben konnte. Weil Hunde nachgewiesenermassen Nachahmer sind, hatte Flash alles, was ich mit Piper geübt hatte, ebenfalls gelernt. Seither war Flash "Geräuschtrainer" von fünf Hunden, die ich für C.A.R.E.S., eine Assistenzhunde-Organisation in Concordia, Kansas, trainierte.

Piper lernte seine Fähigkeiten auf der Basis der Erfahrungen, die er in meinem Umfeld gemacht hatte. Als ich ihn nach Kalifornien zurückbrachte, blieb ich 6 Wochen im Heim seines Besitzers, um die Übergabe zu erleichtern. Das Umfeld war sehr verschieden und es war interessant, zu beobachten, wie der Hund seine erlernten Fähigkeiten anwandte und mit der Zeit verfeinerte. Ein Beispiel: sein Besitzer war Teetrinker und so hatte Piper gelernt, auf das Pfeifen des Teekessels zu reagieren. Anscheinend war der Pfeifton des Kessels in Kalifornien anders als derjenige, auf den ich ihn trainiert hatte, und es schien, dass ihm der schrille Ton nicht behagte. Also begann er das Geräusch anzuzeigen, sobald er hörte wie das Wasser brodelte, bevor der Dampf den Pfeifton auslöste. Er begann auch auf kochendes Wasser in Töpfen auf dem Herd zu reagieren und ersparte damit der Familie verschmorte oder angebrannte Speisen.

Eine der grössten Schwierigkeiten bei der Übergabe eines Assistenzhundes ist den Besitzer zu überzeugen, dass er sich auf den Hund verlassen kann. Die betreffende Person muss lernen, die Körpersprache des Hundes zu verstehen, z.B. bei einem Spaziergang. Ich hatte herausgefunden, dass Piper über seine linke Schulter schaut, wenn sich jemand von hinten nähert. Sein Besitzer lernte, darauf zu reagieren, indem er zurückschaute. Zu wissen, dass jemand hinter dir ist, wenn du nichts hörst, ist von grossem Vorteil. So wirst du nicht überrascht, wenn sich ein freundlich gesinnter Fremder ebenfalls auf deinem Weg befindet.

Oft hören Hörbehinderte ganz ordentlich mit Hilfe von Hörapparaten. Sie müssen jedoch lernen, den Hund arbeiten zu lassen, selbst wenn sie das Geräusch zuerst hören. Wenn man den Hund nicht konsequent arbeiten lässt, wird er vielleicht nicht reagieren, wenn das Hörgerät einmal nicht funktioniert oder nicht im Ohr ist, z.B. nachts.

Leute, die behaupten, dass Hunde nicht sprechen können, haben ihren Hund noch nie genau beobachtet. Die Hörbehinderten sind in so hohem Mass auf die Kommunikation ihres Hundes angewiesen, dass sie genau hinsehen müssen. Der Hund kann seine Aufgabe viel besser erfüllen, wenn der Besitzer für alle Nuancen der Körpersprache - einen Blick, ein Drehen des Ohrs - empfänglich ist. Dann kann die Kommunikation unglaublich stark sein und es ist faszinierend, ein Team zu beobachten, das perfekt eingespielt ist.

Eine Aufgabe, die ich Piper beibringen sollte, war anzuzeigen, wenn etwas auf den Boden gefallen war. Obwohl wir Assistenzhunden diese Fähigkeit automatisch beibringen, hatte ich nicht daran gedacht, dass Hörbehinderte nicht hören, wenn sie z.B. einen Schüssel fallen lassen. Also sollte Piper lernen, den Schlüssel aufzunehmen und dem Besitzer zu bringen. Später ging ich einen Schritt weiter und brachte ihm bei, Geldscheine, Papier, Handschuhe, und andere Gegenstände aufzuheben, die aus einer Hosentasche oder einer Handtasche fallen können, ohne dass der Besitzer es hört. Für Piper war es das beste Spiel. Diesen kleinen Hund zu trainieren machte unglaublich viel Spass und ich bezeichne ihn oft als "mein Meisterstück!"


Piper zeigt verlorene Schlüssel an.

Bei meinen Besuchen bei Hörbehinderten mit Signalhunden, höre ich immer wieder, welches Gefühl der Sicherheit es gibt zu wissen, dass ein Paar Ohren für sie hört. Und mit einem Corgi erhalten sie nicht nur einen tüchtigen Signalhund, sondern auch einen wunderbaren Begleiter, der alle im Umkreis zu unterhalten und charmieren versteht.

Ein grosses Problem für Hörbehinderte mit einem Signalhund ist der Umstand, dass die Öffentlichkeit mit Bezug auf Hunde für Personen mit einer unsichtbaren Behinderung zu wenig sensibilisiert ist. Ein Blindenführerhund oder ein Assistenzhund für einen Behinderten im Rollstuhl wird sofort als solcher erkannt. Diejenigen mit einer unsichtbaren Behinderung sehen sich hingegen oft mit Unverständnis konfrontiert, wenn sie ihren Hund in öffentliche Räume mitnehmen wollen, wo Hunde normalerweise keinen Zutritt haben. Obwohl sie vom Gesetz für Amerikaner mit Behinderungen, und oft auch durch Gesetze in den einzelnen Staaten, dazu berechtigt sind, besteht ein grosser Informationsbedarf in der Öffentlichkeit.

Ich werde oft gefragt, wie man zu einem Corgi als Signalhund kommt. Es gibt einige Institutionen, die mit Corgis arbeiten. Die Canine Companions for Independence in Santa Rosa, Kalifornien, hatte ein Zuchtprogramm mit Corgis. Als ich sie 1998 das letzte Mal besuchte, waren sie dabei, die Corgis auszumustern, weil sie fanden, dass Corgis für viele Leute eine "zu grosse Persönlichkeit" haben. Die Würfe, die sie mir zeigten, waren nicht kupiert, da sie meinten, dass ein gehörloser Empfänger einen Hund ohne Rute nicht gut "lesen" könne. Später erfuhr ich, dass sie Corgis mit Shelties gekreuzt hatten, um ihnen ein sanfteres Wesen zu verleihen. Seither hatte ich keinen Kontakt mehr.

Die meisten gemeinnützigen Assistenzhunde-Organisationen arbeiten mit Hunden aus eigener Zucht oder mit Hunden aus Tierheimen. Die Wartezeit auf einen Hund kann bis zu zwei Jahre oder mehr dauern. Beim Auswahlverfahren versucht die Organisation einen Hund zu finden, der zum Kandidaten passt, aber vielleicht ist es nicht die Rasse, die er sich wünscht. Eine Anzahl Organisationen akzeptiert Hunde als Geschenk von seriösen Züchtern. Organisationen/Vereine für Signal- und Assistenzhunde findet man im Internet.

Eine steigende Anzahl Personen möchte ihren Familienhund selbst ausbilden. Die Suche nach einer Organisation, die beim Training eines persönlichen Assistenzhundes helfen kann, braucht mehr Beharrlichkeit, weil die meisten Organisationen nicht dazu bereit sind. Sie wollen nur mit eigenen Hunden arbeiten. Zudem habe ich herausgefunden, dass die meisten gemeinnützigen Organisationen um die Ausbildung ein Geheimnis machen. Sie geben vor, dass nur eine kleine Schar Auserwählter imstande ist, Signalhunde zu trainieren. Zum Glück braucht man für das Training solcher Hunde kein Professor zu sein, und viele kompetente private Trainer finden, dass die Arbeit mit Behinderten und Hörbehinderten sehr bereichernd ist.

Einige wenige Organisationen wie Handi-Dogs in Tucson arbeiten mit dem Hund des Gehörlosen. Persönlich bevorzuge ich diese Methode. Ich liebe es, einen Hund in meinen Haushalt einzugliedern und zu beobachten, wie er von seinen Artgenossen lernt. Aber das Erfreulichste an der Arbeit ist das Wissen, welche Perspektiven, inklusive das Gefühl von Sicherheit, ein Signalhund denjenigen öffnet, die in einer stillen Welt leben.

Erschienen in der PWCCA Newsletter, Sommer 2003
Übersetzung ANo mit freundlicher Genehmigung der Redakteurin Marian Johnson Your..

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22.05.2013