Mantrailing mit einem Corgi


Uschi Dürr mit Anderl vom Holledauer Bockerl

Unser Cardigan Rüde Anderl hat Ende November 2012 mit seiner Hundeführerin Uschi Dürr die Rettungshunde-Team-Prüfung Mantrailing nach der Prüfungsordnung des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) bestanden. Das macht uns auch deshalb besonders stolz, weil sie nun eines von derzeit nur 6 geprüften Mantrailing-Teams des ASB in ganz Deutschland sind. Und der ASB ist immerhin eine der aktivsten Hilfsorganisationen in der Rettungshundearbeit.
Die Sparte Mantrailing ist in den Rettungshundestaffeln in Deutschland noch verhältnismässig jung, weswegen es auch sehr wenig wirklich erfahrene Ausbilder gibt. Auch die Ausbilderin der Rettungshundestaffel Ingolstadt, in der Uschi und Anderl aktiv sind, hat das erste Mal ein Team bis zur Einsatzreife gebracht und das, obwohl sie selbst mit ihren Hunden in der Flächen- und Trümmersuche aktiv ist.

Angefangen hat es damit, dass Uschi mit dem Anderl etwas Sinnvolles anfangen wollte und dabei auf den Gedanken kam, Rettungshundearbeit könne ihr liegen. So hat sie im Mai 2010 mit Anderl bei der Rettungshundestaffel Ingolstadt ein Schnuppertraining mitgemacht und ab da regelmässig am Training teilgenommen. Es gibt eine dreimonatige Probezeit, in der der Hundeführer herausfinden muss, ob ihm und seinem Hund die Arbeit und die Atmosphäre liegen und ob sie die Zeit (sehr viel Zeit!) aufbringen können. Und die Staffel merkt, ob das zukünftige Team in die Gruppe der Rettungshundler und Hunde hineinpasst.

Im Anfang der Ausbildung steht bei allen drei Sparten, in denen bei den meisten Rettungshundestaffeln gearbeitet wird (Flächensuche, Trümmersuche und Mantrailing) die Erzeugung bzw. Steigerung der Motivation des Hundes, eine Person zu suchen und zu finden. Der Hund wird dazu im Training immer von der gefundenen Person mit ganz besonders leckeren und vielen Leckerlis und/oder seinem Lieblingsspiel(zeug) belohnt und soll dabei lernen, dass es das Tollste auf der Welt ist, Menschen zu finden.

Flächensuchhunde arbeiten dabei ohne Leine und werden von ihrem Hundeführer in ein Gebiet geschickt, das sie nach jeder dort befindlichen Person durchsuchen. Trümmersuchhunde tun dasselbe auf einem Areal mit Trümmern, beide müssen also menschliche Witterung in einem ansonsten menschenleeren Gebiet ausmachen und dann die Person(en) finden und dem Hundeführer, der dann meist weit entfernt ist, den Erfolg irgendwie anzeigen, meist durch Bellen.

Ein Mantrailer dagegen wird in einem speziellen Suchgeschirr an langer Leine geführt und muss der Spur (Trail) einer ganz bestimmten Person folgen. Der einzigartige Individualgeruch der zu suchenden Person wird dem Hund beim Start zur Geruchsaufnahme vor die Nase gehalten, z.B. ein getragenes T-Shirt. Dieser "Geruchsträger" wird meist in einer Plastiktüte präsentiert. Am Startpunkt soll dann der Hund seine Nase möglichst tief in die geöffnete Tüte stecken, damit er den Geruch der gesuchten Person aufnehmen kann.


Beim Start muss sich natürlich auch wirklich eine Spur der gesuchten Person befinden. Wenn das nicht der Fall ist, soll der Hund eine "Negativanzeige" machen, das heisst, er soll seinem Hundeführer signalisieren, dass er keine Spur der Person, deren Individualgeruch am Geruchsträger war, ausmachen kann.

Der Hund muss dann, wenn er eine Spur aufnehmen kann, dieser in der richtigen Richtung folgen, bis er die gesuchte Person gefunden hat - oder bis sich ihre Spur verliert, z.B. wenn der Gesuchte mit einem Auto weitergefahren ist, wobei er dann wieder eine Negativanzeige machen sollte.

Mantrailing wird gerade am Anfang eher auf Asphalt oder Pflaster geübt, damit der Hund lernt, nicht wie beim Fährtenhundesport den Gerüchen der Bodenverletzungen zu folgen, sondern ausschliesslich dem Geruch der gesuchten Person. Ein Mensch verliert ca. 40.000 Hautschuppen in der Minute, die von Bakterien zersetzt werden, und zwar unterschiedlich schnell je nach den Witterungsverhältnissen. Ausser den Hautschuppen verliert er auch noch Schweiss und andere Geruchsstoffe. Diese Duftspur befindet sich zunächst in der Luft und setzt sich dann am Boden ab. Je nach Wetterlage und Wind als breite oder schmale Bahn, früher oder später, dort wo der Gesuchte gelaufen ist oder auch etliches davon entfernt... Die Duftspur verändert sich mit der Zeit auch, sonst wäre ja der Hund nicht in der Lage, die Laufrichtung zu bestimmen bzw. ältere und frischere Spuren derselben Person zu unterscheiden.

Ein Mensch mit seinem unterentwickelten Riechorgan kann sich nicht annähernd vorstellen, was sein Hund da mit seiner Nase wahrnimmt. Deshalb ist es die Hauptaufgabe des Hundeführers, einfach seinem Hund und dessen Nase zu vertrauen. Wenn man meint zu wissen, wo die Spur liegt, korrigiert man seinen Hund leicht fälschlicherweise und nimmt ihm damit die Möglichkeit, selbst zu lernen, wie er am besten zum Ziel kommt. Möglicherweise hindert man den Hund daran zu lernen, was er überhaupt tun soll. Auf einem Mantrailing-Workshop wurde Uschi einmal vom Ausbilder gesagt "Endlich mal wieder ein 'dummer' Hundeführer, der einfach seinem Hund hinterherläuft!" Und das war nicht als Kritik gemeint...

Uschi hat vielleicht den Vorteil gehabt, dass sie nie mit einem Hund in der Unterordnung gelaufen ist und deswegen selten Leinenkorrekturen vornimmt, wenn sie glaubt, der Hund läuft falsch.


Der Kopf des Hundeführers soll sich statt mit dem seiner Meinung nach richtigen Weg eher damit befassen, Gefahren für den Hund z.B. durch Autoverkehr abzuwenden, den Zug an der Leine immer gleich stark zu lassen, um den Hund in seiner selbstständigen Arbeit nicht zu beeinflussen und vor allen Dingen aber seinen Hund "lesen" zu lernen. Er muss z.B. lernen zu erkennen, wann der Hund allein nicht mehr weiter weiss oder wann er keinen Geruch der gesuchten Person mehr hat. Wenn der Hund nicht mehr weiter weiss, befindet er sich meist in einem so genannten "Geruchspool", einer Ansammlung von Geruchspartikeln unterschiedlichen Alters, aus dem herauszufinden für den Hund manchmal schwierig sein kann, da die herausführende Spur eben weniger stark und frisch riecht als die Geruchspartikel, die sich in diesem Pool angesammelt haben. Hier kann der Hundeführer dem Hund helfen, den "Ausgang" zu finden.

Anderl hatte im Training einmal einen Trail zu laufen, der bei sehr kaltem Wetter durch eine Fussgängerunterführung am Bahnhof Ingolstadt ging. Am tiefsten Punkt, wo sich anscheinend ein Grossteil der Geruchspartikel, sowohl ältere als auch frischere, mit der nach unten sinkenden kalten Luft angesammelt hatte, war eine grosse Leuchtreklame mit dem überlebensgrossen Bild unserer Bundeskanzlerin. Anderl machte hier an der Stelle des intensivsten Geruchs vor der Kanzlerin seine "Anzeige" für "Gefunden: Das ist die Person". Er setzte sich vor ihr hin. Schliesslich war keine andere Person da und überall anders war der Geruch für ihn weniger intensiv. Einem Beobachter der Szene wäre bestimmt "Deutscher Corgi vor deutscher Queen" oder ähnliches in den Kopf gekommen...

Es ist ganz wichtig, bei jedem Wetter zu üben, damit der Hund lernt, wie sich die Spuren unterschiedlich entwickeln können, je nach Temperatur und Luftfeuchtigkeit, die ja die Zersetzungstätigkeit der Bakterien beeinflussen. Hier hat der Mensch auch keine Vorstellung davon, welche Wetterverhältnisse es dem Hund erleichtern oder erschweren, einem Trail richtig zu folgen. Es ist auf jeden Fall ganz wichtig, dass der Hund alte und frische Spuren unterscheiden kann, denn im realen Einsatz wird oft vom Wohnort der vermissten Person "weggetrailt". Dort gibt es logischerweise meist sehr viele ältere Spuren, der Hund muss aber unbedingt der frischesten Spur folgen, um die Person finden zu können. Was auch unbedingt viel geübt werden muss, ist das Trailen in sehr belebten Gebieten, z.B. Fussgängerzonen. Der Hund soll ja lernen, dass er nicht vor dem nächstbesten Döner-Esser seine Anzeige macht, oder sich - wie Anderl einmal im Training - bei einer Metzgerei anstellt...

Aber weiter mit Anderls und Uschis Weg zur Einsatzreife. Die erste Hürde ist der Eignungstest für Rettungshunde. Das ist ein kleiner Wesenstest. Der Hund zeigt, dass er auch unter dem Einfluss ungewöhnlicher optischer und akustischer Reize weitgehend unbeeindruckt bleibt und sozialverträglich mit Mensch und Hund ist.

Als nächstes muss die Vorprüfung vom angehenden Team absolviert werden. Sie wurde eingeführt, um die hohe Durchfallquote bei der eigentlichen Prüfung zu verkleinern, denn nur mit bestandener Vorprüfung kann man zur eigentlichen Prüfung zugelassen werden. Die eigentliche Prüfung muss übrigens alle 18 Monate wiederholt und bestanden werden, damit das Team weiter eingesetzt werden kann. Vor der eigentlichen Prüfung muss der Hundeführer auch noch einiges lernen. Er hat einen Sanitätshelferlehrgang sowie Kurse in "Erste Hilfe am Hund", "Kynologie", "Orientierung und Kartenarbeit", "Sprechfunk/Funktechnik", "Unfallverhütung/Sicherheit im Einsatz" und "Einsatztaktik" erfolgreich zu absolvieren.

Nachdem die beiden nun alles das hinter sich gebracht haben, trainieren sie noch mehr als vorher und es wird immer schwieriger für mich, mir den Anderl mal für den Besuch einer Hundeausstellung "auszuleihen". In seinem Training geht es im Moment hauptsächlich darum, ihm das Beinheben während des Trailens abzugewöhnen, damit er sich voll und ganz auf die Arbeit konzentriert. Ausserdem wollen sie testen, Trails welchen Alters Anderl noch in der Lage ist, auszuarbeiten. Letztens ist er erfolgreich einem Trail bis zum Ziel gefolgt, der schon drei Tage vorher gelegt wurde. Aber genauso hat sich Uschi über einen erfolgreich ausgearbeiteten Trail gefreut, der zwar nur einen Tag alt war, auf den es aber dafür die ganze Nacht heftig geregnet hatte. Trotzdem hat Anderls Nase die letzten nicht weggespülten Geruchspartikelchen noch wahrnehmen können.

Seine Prüfung war übrigens eine ziemliche Zitterpartie. Denn die beiden Corgimädels, mit denen er zusammenlebt, waren zu der Zeit beide läufig (Prada sogar in der Standhitze). Uschi hat sich deshalb mit Anderl zwei Tage vor der Prüfung in die Pension Heidi in der Nähe des Prüfungsortes ausquartiert, damit er auf ein bisschen andere Gedanken kommt, aber die ungewohnte Atmosphäre war bestimmt auch nicht gerade konzentrationsfördernd für ihn. Sein sicherlich ziemlich erhöhter Testosteronspiegel liess ihn während des Prüfungstrails exzessiv immer wieder das Bein heben. Einer der Prüfer hat schon nach einem Messer gefragt - er gab damit seiner Überzeugung Ausdruck , dass "naturbelassene" Rüden als Trailer ungeeignet seien. Anderl und Uschi haben trotzdem bestanden, sogar als einziges von den vier angetretenen Mantrailingteams.

Irgendwann werden sie zu ihrem ersten Einsatz gerufen werden, und ich hoffe so sehr, dass Anderl sich dann auch bewähren wird. Auch besonders deswegen, weil Corgis wie im Hundesport auch, bis jetzt als Arbeitshunde oft nicht wirklich ernst genommen werden. Das ist schade, denn gerade der Cardigan hat alles, was ein Hund ausser einer guten Nase (die ja aber fast jeder Hund besitzt) für die Sucharbeit braucht. Nämlich Motivierbarkeit, Arbeitsfreude, Lerneifer, Lernfähigkeit, Intelligenz, Wetterfestigkeit, Ausdauer und das Quäntchen Eigensinnigkeit, um sich seinem Hundeführer gegenüber durchzusetzen, wenn dieser glaubt, es müsse woanders lang zum Ziel gehen.

Luise Pfalzgraf,
D- 84072 Au i. d. Hallertau
www.vom-holledauer-bockerl.de/

Aus der deutschen Corgi-Post 1/2013
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

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www.welshcorgi-news.ch
22.03.2013