Milous Abenteuer in Amerika - Teil I
Von Vicki Northway

Begegnung mit Milou
Ich traf Milou (F, B & Int. CH Shamquin Emei Shan) zum ersten Mal im Oktober letzten Jahres. In Zusammenarbeit mit Milous Züchterin Béatrice Quinio in Frankreich hatte meine Freundin Pat Seifert einen Wurf aufgezogen und brachte Milou zu mir in Nordkalifornien, damit sie sich etwas ausruhen und erholen konnte. Pat war mit Welpen beschäftigt und ich hatte Zeit zum Trainieren. Ich liebe es, einen hübschen Pembroke in die Hütearena zu bringen und zu beweisen, dass unsere Hunde alles können, und war begeistert, Milous Bekanntschaft zu machen.


Milou

Nach ihrer Ankunft nahm ich Milou mit zum Übungsgehege, weil Pat meinte, dass Milou sich fürs Hüten eignete und ich war gespannt, es herauszufinden. Milou wirkte neugierig, fröhlich und völlig unbeeindruckt von ihrer neuen Umgebung. Obwohl es ein warmer Tag war und sie bisher weder mich noch Schafe gesehen hatte und noch nie auf einer Farm gewesen war ("Diese Gerüche, wie spannend!" muss sie gedacht haben), zeigte Milou sofort ein starkes Interesse für die Schafe. Es spielte keine Rolle, dass sie fünfmal so gross waren wie sie selbst. Ob es an ihrer eifrig wedelnden Rute oder "Lass mich auf sie los"-Ausstrahlung lag, die Schafe stoben davon und Milou folgte ihnen, um sie zurückzubringen.

Sie hatte angebissen. Ich muss hinzufügen, dass sie auch an den Hühnern und Schafen interessiert war, die sich auf der anderen Seite der Einzäunung befanden, weil das ein wiederkehrendes Thema bei Milous Hütearbeit wurde. Nachdem sie zu Pat zurückrannte, um sich bei ihr mit einem bellenden "Hey, schau wie ich hüte!" zu melden, waren wir uns einig, dass sie aufgrund ihres Triebs und ihrer Klugheit tatsächlich sehr vielversprechend war.


Die Hüteprüfungen in Kalifornien finden im Sommer statt, wenn es sehr heiss ist, und Milou musste im Frühling zu Pat zurückkehren. Pat und ich fanden eine Prüfung, die Ende Januar - d.h. in vier Monaten - in San Diego, Kalifornien, stattfand. Es gab viele Ungewissheiten: würde der Regen im kalifornischen Winter uns vom Training abhalten, würden sich Milous Fähigkeiten schnell genug entwickeln und vor allem, war sie gewillt, mit mir unter Druck zu arbeiten. Hütearbeit ist ein anspruchsvoller Sport. Was du vom Hund verlangst, mag nichts mit der Absicht des Hundes zu tun haben. Hunde können den Instinkt besitzen, die Tiere zu kontrollieren und zu holen, aber nicht unbedingt den Willen, für jemanden zu arbeiten.

Auch das Wesen spielt eine Rolle. Einige Hunde sind zu aggressiv, andere zu ängstlich, während anderen die Leidenschaft und die innere Energie (der Trieb) fehlt, so hart zu arbeiten. Man darf nicht vergessen, ein Agility Parcours dauert 30 Sekunden, im Ausstellungsring trabt ein Hund für einige Minuten, aber ein Hütehund muss bis zu 10 Minuten ununterbrochen arbeiten und manchmal in vollem Lauf. Unsere Zwergrasse muss bedeutend mehr Schritte machen als ein grosser Hund. Stellt euch die Schritte eines Kindes vor im Vergleich zu einem Erwachsenen, dann werdet ihr verstehen, was ich meine.


Pat und ich lieben eine Herausforderung und so beschlossen wir zu versuchen, Milou für das Hüten nach den Regeln des American Kennel Club (AKC) vorzubereiten. ("Ein oder zwei Titel, Pat?" "Na klar, lass uns nach zwei Titeln streben, Herding Test (HT) UND Pre-Trial Test (PT).") Ich bin eine erfahrene Trainerin/Handlerin und Milou hatte den Trieb und so beschlossen wir, es zu versuchen. Falls wir uns an den Anlageprüfungen nicht qualifizieren sollten, hatten wir wenigstens ein grosses Erlebnis und eine Menge Geschichten zu erzählen. Wir wussten, dass Milou ihren Spass haben würde, die Schafe herumzukommandieren.

Milou ist eine eigensinnige, selbstsichere, kluge und lustige Hündin. Ich bewundere sie, weil sie mich an meine 14 Jahre alte Hella, Sua Mah Tradewind HSAc HXAsd, erinnert, eine von Judy Hart gezüchtete tricolor Hündin. Hella war ein Ausstellungs-, Farm- und Prüfungs-Hund. Ich mag robuste Hunde; ich mag schlaue Hunde; ich mag Hunde mit Herz und Verstand. Während den 15 Trainings-Wochen brachten wir Milou in Topkondition, gewöhnten sie an den warmen Winter und warteten gespannt, ob sie den wahren Test bestehen würde: Würde diese junge Hündin, die mich eben erst getroffen hatte, einer fremden Person vertrauen. Wie ihr Züchter wisst, ist die Verbindung zu einem Welpen, den ihr aufgezogen habt, ungleich jeder anderen Verbindung. Diese Verbindung fehlte mir. Ich erwartete von Milou, die von Bea aufgezogen und später liebevoll von Pat betreut wurde, dass sie mir folgen und tun sollte, was ich von ihr verlangte.


Training
Ohne mich in das eigentliche Training zu vertiefen, kann ich euch versichern, dass wir, obwohl wir uns ein ehrgeiziges Ziel gesetzt hatten, langsam voranschritten und Milou sorgfältig konditionierten. Zu Beginn korrigierte ich sie selten, lobte aber jeden korrekten Schritt. Alle die Jahre mit "Lass die Katze in Ruhe" wurden jetzt erstattet mit "Los, geh, jaaa, braver Hund, braver Hund!"

Beim Hüten gibt es wenige Kommandos, und die Arbeit auf Test-Niveau, die ich von Milou verlangte, entsprach ihren Fähigkeiten. Sie lernte "Fetch" (bringe die Schafe und sammle sie um mich), "Wear and Cover" (umkreise die Schafe, damit sie nicht entweichen), "Down" (mach Platz), "Wait" (warte), "Come" (komm) und "Look back" (schau zurück). Wir unternahmen Fahrten, damit Milou Schafe in ungewohnter Umgebung hüten konnte. Sie gehorchte den Kommandos "Down" und "Call-off" (beim "call off" muss der Hund die Herde oder etwas von Interesse verlassen und unverzüglich zu mir kommen) im Haus, im Garten und bei der Herde. Nur mit ermunternden Worten und Lob und dem Gebrauch des Hirtenstabs oder eines langen Stocks, um den Hund zu dirigieren oder zu stoppen, entwickelten sich unsere Hütelektionen zu disziplinierten, ruhigen Spaziergängen mit Schafen in einer Arena und zurück zum Pferch.


Die Liste mit Dingen, die bei einer Hüteprüfung schief gehen können, ist lang, denn du kannst deinen Hund trainieren aber nicht die Schafe. Ablenkungen sind unvermeidbar. Und da sind auch die Richter und die Interpretierung der Regeln. Ich frage euch: Habt ihr jemals vor einem Ausstellungsrichter gestanden und euch gewundert, was er sah, das ihr nicht bemerkt habt? Genau das kann auch beim Hüten geschehen.

Die Prüfungen
Der Ablaufplan für die Test-Klassen in San Diego war ungewöhnlich, indem vier Tests an zwei Tagen stattfanden und nicht wie üblich an vier Tagen. Anstatt eines Laufs am Samstag und eines am Sonntag an zwei Wochenenden, fanden beide Läufe am Nachmittag des gleichen Tags statt (an zwei aufeinander folgenden Samstagen). Obwohl dies gemäss den AKC-Regeln erlaubt ist, ist dieser Ablaufplan mit zwei aufeinander folgenden Läufen hart für Anfänger-Hunde. Aber wir beschlossen, es zu riskieren. Wenn wir beide Titel für Milou wollten, hatten wir keine andere Wahl. Und wir wollten diese Titel. Wir wollten, dass Milou mit einem amerikanischen Souvenir nach Frankreich zurückkehren konnte.

Es war ein Riesenanlass, der zehn Tage dauerte, mit bis zu 100 Anmeldungen pro Tag. Mit ihrem frechen Grinsen und der eifrig wedelnden Rute strahlt Milou stets Entschlossenheit und Neugierde aus. Sie scheint immer zu sagen, "Okay, ich kann das! Was soll ich sonst noch tun?" Diese Einstellung war ihr nützlich und sie meisterte die Aktivitäten am Prüfungsort und im Hotel wie ein Profi. Vielleicht half ihr dabei aber auch einfach die Erfahrung als Ausstellungshund. Milou erhielt ihren PT-Titel (2 Läufe unter 2 verschiedenen Richtern) und schaffte den einen der beiden HT-Läufe. Unsere Läufe waren ziemlich ereignisreich und erinnerten uns daran, dass unsere Hunde dafür sorgen, dass wir nicht zu übermütig werden.


Milou zog die Aufmerksamkeit der Leute auf sich. ("Ein Pembroke mit Rute? Das müssen wir sehen.") Am ersten Samstag lief Milou ihren HT-Lauf mit einem Minimum an Aufwand und einem Maximum an Gebell. Sie machte sogar einen kleinen Abstecher, um das Publikum zu begrüssen.

Der Wechsel zur PT-Arena (von einem Gehege von ca. 30 x 30 m zu einem grösseren Areal von ca. 30 x 60 m) war problematisch. Am Ende der Arena, wo die Absperrgitter aufgestellt waren, wurden während ihres Laufs in der benachbarten Arena Rinder getrieben. Milou machte ihre Arbeit gut und trieb die Schafe durch die Gitter an jenem Ende, aber als wir kehrtmachten, um unsere Arbeit zu beenden, steckte sie ihren Kopf unter den Zaun, der mit einer Plane abgeschirmt war, und versuchte, zu den Rindern zu gelangen ("Mein, mein, dieses Vieh gehört mir!"). Ihr von freudigem Gebell begleitetes Hüten löste grosses Gelächter aus. Als es aber Zeit für das Einpferchen war, wiederholte sich dieser Hang zur Habsucht: Sie wollte sich nicht mit ihren 3 Schafen begnügen, sondern wollte auch die 30 Schafe jenseits der Einzäunung in den Pferch treiben (sie versuchte es sogar mit Graben unter der Einzäunung). Als sie einsah, dass es ihr nicht gelang, alle Schafe zusammenzuhalten, konnten wir den PT-Lauf abschliessen.

Wir hatten uns an diesem Tag zweimal qualifiziert (einmal bei HT und einmal bei PT) und Milou war halbwegs zu ihren zwei Test-Titeln.



Am folgenden Wochenende war es heiss; 30°C und kein Schatten und das Prüfungs-Komitee änderte die Reihenfolge der Klassen und verlangte den PT-Lauf zuerst; am letzten Wochenende lief die leichtere HT-Klasse zuerst. Sie legten Heu aus, was eine grosse Anziehungskraft auf die Schafe ausübte. Das erschwerte natürlich die Arbeit für einen Anfänger-Hund. Milou ist nicht einfach ein Pembroke, sie ist ein Pembroke mit den typischen, kurzen Sprunggelenken und - Manno! - sie musste hart arbeiten. Die Arena war sandig (schwieriger zum Laufen und unangenehm heiss für die Pfoten) und aufgrund des Heus ergriffen die Schafe jede Gelegenheit, um auszuscheren und zurück zum Heu zu rennen, und zwangen Milou, sie zu holen und wieder von vorne anzufangen. Milou machte ihre Arbeit gut, aber es war anstrengend. Der Richter war ganz begeistert von ihr und sagte immer wieder, was für einen hübschen Hund ich hatte und welchen Spass wir beide bei unserer weiteren Hütearbeit haben würden.

Und dann standen wir vor der nächsten Herausforderung. Weil das Programm geändert worden war und ein Teil der Hunde ihren Lauf verpassten, mussten wir, kaum hatten wir die Arena verlassen, sofort in der HT-Klasse konkurrieren. Obwohl die Arbeit in der HT-Klasse einfacher ist, hatte Milou zwischen PT und HT keine Chance, zu verschnaufen oder etwas abzukühlen, und ich natürlich auch nicht. Wir betraten die Arena und begannen, die Schafe nach dem einfachen Muster dieser Klasse zu holen, als Milou unterwegs eine Wasserpfütze entdeckte. Sie ging hin, um zu trinken. Ich rief sie und befahl ihr, die Schafe zu holen. Sie brachte sie wiederum bis zur Pfütze und liess sich in das kühle Wasser plumpsen... Und wieder rissen die Schafe aus. Die Schafe spürten, dass Milou ein müder, warmer und abgelenkter Hund war, und nutzten die Situation genau, wie die PT-Schafe es getan hatten. Der gleiche Richter, der zuvor Milou in den höchsten Tönen als ein Ausnahmetalent gepriesen hatte, fand nun, dass Milou nicht "vorankam", und brach unseren Lauf ab. Milou hatte sich nicht qualifiziert.


Weil Milou ihren PT-Titel (schwierigere Klasse und höhere Stufe) gewonnen hatte, kann sie in der HT-Klasse nicht mehr konkurrieren und folglich diesen Titel nicht mehr gewinnen. Obwohl ich weiss, dass Pembrokes vernünftige Hunde sind, die zu sich Sorge tragen... und Gott sei Dank dafür! so ärgerer ich mich, wenn mir etwas nicht gelingt. Bonnie Smith (eine amerikanische Freundin von Bea und Fan von Milou) war an der Prüfung, um Milou anzufeuern. Pat und Bonnie erinnerten mich daran, dass wir ja erreicht hatten, was wir angestrebt hatten: Für diesen französischen Corgi einen AKC-Titel zu gewinnen.

Abschliessend könnte ich Geschichten erzählen, wie Milou einen Raum voller Universitätsstudenten bezauberte, die baff waren, dass ein französischer Hund englische Kommandos verstand. Oder wie diese erstklassige Pariserin mir beim Gärtnern und bei der Farmarbeit hilft. Ich möchte aber lieber sagen, dass wenn Milou repräsentativ ist für die in Frankreich gezüchteten Hunde, ihr eure Arbeit ausgezeichnet macht. Hüten mag nicht euer Massstab für vorzügliche Eigenschaften sein, aber Milous Erfolg beweist, dass der Instinkt immer noch lebendig und der Wunsch zu gefallen ausgeprägt ist. Das sind keine geringen Eigenschaften. Der Trieb, eine Herde zu kontrollieren (das kommt als eine gewiss Herrsucht zu Hause zum Ausdruck), ist entscheidend beim Hüten. Die Selbstsicherheit, eine Meinung zu haben und sie durchzusetzen und die Fähigkeit unter Druck zu arbeiten, macht den guten Hütehund aus. Er muss laufend Entscheidungen im Bruchteil einer Sekunde treffen.

Milou wurde auf Schönheit, korrekten Körperbau und Gesundheit gezüchtet. Ihre Gesundheitstests entsprachen den Anforderungen der PWCCA und sie gebar einen schönen Wurf. Aber ebenso wichtig für mich war die Tatsache, dass ihre Gesundheit und ihr Körperbau die Arbeit unterstützen, für die sie bestimmt war: Hüten. Der Pembroke Welsh Corgi war ursprünglich ein nützlicher, anspruchsloser Farmhund. Milou lahmte nie, hatte nie Schmerzen oder war gestresst. Ihre Bewegungen waren locker, ihre Oberlinie immer gerade und ihre perfekten kleinen Pfoten federten das Traben auf hartem Boden ab. Obwohl sie kurze Sprunggelenke hat, sind sie korrekt proportioniert, was diesem kleinen Bündel grosse Effizienz verleiht. Und nicht zuletzt war der kleinste Hund an diesen Prüfungen auch hübsch anzusehen und freundlich zu allen. Und was ihr Wesen betrifft... sie war mutig (Schafe fordern einen Hund heraus) und sanft (sie biss die Schafe nicht) und sie war gehorsam und wünschte, zu gefallen. Obwohl euer Rassestandard das Wesen nicht genau in meinen Worten beschreibt, bin ich der Meinung, dass Milou fast perfekt ist. Genügend robust und sehr schlau. Wenn Milou in einer Umgebung lebte, wo sie weiter trainieren könnte, könnte ich mir vorstellen, wie sie sich durch die verschiedenen AKC Hüte-Klassen hocharbeitet und einen Titel nach dem anderen holt. Sie würde sich auch vorzüglich für Obedience eignen. Ebenso könnte sie grossartige Dienste auf einer Farm leisten.

Wenn ich mir jetzt meine Zukunft ohne Milou vorstelle, dann weiss ich, dass sie nach ihren Mutterpflichten wieder gerne zu Beas Familie in Frankreich zurückkehren wird. Ich vermute allerdings, dass sie, wenn sie im Schlaf diese kleinen "Wuffs" von sich gibt und mit den Pfoten zappelt, nicht Schafe zählt sondern treibt. Und in diesem Traum, direkt vor ihr, geht eine Frau, die auf Englisch ruft: "Braves Mädchen, Milou, ganz braves Mädchen!"

AKC Herding Regulations (PDF)

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Vicki Northway züchtet Pembrokes unter dem Namen DRIFAN und ist Mitglied des Pembroke Welsh Corgi Club of America (PWCCA) und des Golden Gate Pembroke Welsh Corgi Club. Während sechs Jahren redigierte sie die Sparte Leistung der PWCCA Newsletter und hat Hüte-Titel für über 22 Pembrokes geholt und an den Hüteprüfungen der jährlichen PWCCA Klubschau sechs Mal, mit vier verschiedenen Hunden, High in Trial gewonnen (höchste Punktezahl aller Klassen).

Dieser Bericht wurde für das Bulletin des Corgis Club de France (No. 69 - Eté 2014) geschrieben.
Deutsche Übersetzung: ANo mit freundlicher Genehmigung.
Alle Fotos von Pat Seifert, CAAMORA Pembroke Corgis

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10.01.2015