Mitch - Ein arbeitender Corgi in Neuseeland
Von Tony Cheshire, Neuseeland

Auf Hundeausstellungen, welche zusammen mit lokalen Landwirtschafts- und Schäferverbänden, stattfinden, hat man Gelegenheit, sich unter das allgemeine Publikum zu mischen und ihren Bemerkungen am Ausstellungsring zuzuhören. Das kann eine äusserst aufschlussreiche Erfahrung sein.

Der Grossteil der Hundeaussteller kommt aus der Stadt, aber die meisten Zuschauer sind Farmer oder haben etwas mit der Landwirtschaftsindustrie zu tun. Diese Farmer verstehen sich auf Tiere. Obwohl sie vielleicht mit dem Standard einer bestimmten Rasse nicht vertraut sind, können sie anhand des Kriteriums, "wie gefällig ist es für das Auge" oft den Sieger ausmachen, lange bevor der Richter seine Wahl bekannt gibt. Die Wetten an der Ringseite unter Mitgliedern einer Gruppe enden oft in einer unfairen Kritik am Richter, aber nur unter den Verlierern.

Für die Farmer hat ein Hund als Tier nur einen Wert, wenn er arbeitet. Die feinen Leute aus der Stadt mit ihren sorgfältig zurechtgemachten und vorgeführten Hunden sind oft Gegenstand von spöttischen Bemerkungen, und ihre Hunde werden allgemein mit Verachtung betrachtet.

Auf einer solchen Ausstellung bot ein Mitglied des Ausstellungskomitees den Besuchern einen ausgezeichneten Dienst via die Lautsprecher, indem er für jede Rasse, welche den Ring betrat, kurz deren Geschichte und Zweck erklärte. Als er die Gruppe der Hirten- und Viehhunde ankündigte, stieg das Interesse merkbar. Die Collies und Deutschen Schäferhunde ernteten alle Anerkennung als Rasse. Danach folgte eine grosse Anzahl Pembroke Welsh Corgis. Sie sind meine Favoriten und meine Frau nahm Teil an der Parade mit unserem Hund Mitch.

Der Sprecher erklärte, dass der Pembroke Corgi hauptsächlich ein Treibhund ist und in Teilen von Südwest-Wales noch immer als solcher genutzt wird. Das löste bei einer Gruppe wettergebräunter Männer, die neben mir standen, ungläubiges Staunen aus.

"Du, Cob", sagte einer "wie würden deine Herefords wohl reagieren, wenn ihnen so einer zwischen die Beine käme?"
"Die würden seinen verdammten Grind einschlagen", war die Antwort.
"Weisst du was, Charlie" sagte ein vierschrötiger Typ mit rotem Gesicht am Rand der Gruppe, "wenn ich einen dieser Corgis auf mein Vieh loslassen würde, würde die ganze verdammte Herde denken, ich sei verrückt geworden".
Und weiter ging es im gleichen Stil.

Mitch schaffte es auf einen dritten Platz und hatte Glück, dass er überhaupt prämiert wurde. Sein etwas gewöhnlicher Kopf und das völlige Desinteresse, das er jeweils im Ring zeigt, wurden von seinem guten Gangwerk, dem schönen Haarkleid und der attraktiven Farbe kompensiert.

Die Gleichgültigkeit, die Mitch an den Tag legte, löste bei den Bauern weitere abschätzige Bemerkungen aus.
"Dieser Hund dort", grinste einer und zeigte auf Mitch, "könnte nicht einmal eine dreibeinige Aue mit Moderhinke einfangen".
Mit dieser Bemerkung fanden alle, dass das Bierzelt mehr zu bieten hatte, und zogen davon.

Um ehrlich zu sein, musste ich ihnen beipflichten. Im Ausstellungsring wirkte Mitch wenig überzeugend, wenn jemand versuchte, seine Vorzüge als Gebrauchshund hervorzuheben. Und das war schade, denn Mitch war einer der aufmerksamsten, energischsten und stets zuverlässig arbeitenden Hunde, den wir jemals in den Schafgehegen hatten.

Wir sahen Mitch zum ersten Mal, als er fünf Monate alt war. Sein Züchter hatte ihn immer noch und meinte, dass er wohl nie viel gewinnen würde, dass er aber viel Persönlichkeit habe. Mit seinem Wesen hatte der Welpe meine Frau bereits für sich gewonnen und zu zweit gelang es ihnen schnell, auch mich zu erweichen.

Als Mitch neun Monate alte war, nahmen wir ihn mit zur Schaffarm meines Schwagers, rund 10 km von unserem Haus entfernt. Mein Schwager Tom war dabei, Schafe in die Gehege zu verteilen, und wir beschlossen, Mitch erste Lektionen zu erteilen.

Die Verteilung war bereits in vollem Gange und zwei der Hirtenhunde, Tip und Bob, hielten die Schafe in Bewegung. Mitch wollte auch mitmachen, denn das schien ein Riesenspass zu sein. Ich hielt ihn zurück, während er die anderen Hunde beobachtete. Er konnte seine Augen nicht von ihnen lassen. Mit steifen Ohren, offenem Maul, Zunge raus, und Augen, die dem Treiben eifrig folgten, war er voll gespannter Aufmerksamkeit.

Nach 20 Minuten gab Tom mir Bescheid, ihn loszulassen. Mitch gesellte sich zu Tip mit einem freudigen Jaulen, das sich aber bald in ein Heulen vor Überraschung und Schmerz verwandelte. Die Schafe bewegten sich sofort, als sie ihn bellen hörten. Er stürzte sich auf sie, um sie in die Fersen zu kneifen, und wurde prompt von einem kräftigen Schlag mit der Hand auf die Schnauze belohnt. Eine Stunde später und sechs oder sieben Hiebe mehr auf die Nase hatte Mitch gelernt, seinen natürlichen Treib-Instinkt zu beherrschen, und wir mussten ihn nie mehr daran erinnern.

Mitch lernte an jenem Tag noch ein paar andere Tricks, hauptsächlich von Tip, der ein ausgezeichneter Lehrmeister war. In der Regel folgte Mitch Tip, sogar auch beim Rennen über die Rücken der Schafe. Manchmal wurde er übereifrig und schien die Selbstkontrolle zu verlieren. Dann begann er Schafe in alle Richtungen zu treiben, bis Tip sich einmischte, ihn auf den Rücken warf und knurrend über ihm stand und ihm auf unmissverständliche Weise ein paar Ratschläge erteilte. Tip verletzte ihn jedoch nie und sein Schüler lernte schnell, um was es ging.

Nach diesem Ausflug entschieden wir, dass Mitch mit der Zeit ein nützliches Mitglied des Farm-Teams werden würde. Fast jedes Wochenende, oder wann immer erforderlich, wurde er zur Farm gebracht. Während er heranwuchs, entwickelte er eine grosse Zuneigung zu allen Bewohnern der Farm, den Menschen wie auch den Tieren, und er hatte ein Wesen, das man normalerweise mit Menschen von grosser Persönlichkeit und Gemütsruhe verbindet.

Natürlich konnte Mitch sich nicht mit den Hirtenhunden messen, wenn sie auf den Weiden arbeiteten. Beim Kommando "Wayleggo round" (bedeutet etwa "Geh und treibe die Schafe zusammen") rannte er sofort hinter Tip her. Aber obwohl er sich mächtig ins Zeug legte, blieb er auf seinen kurzen Beinen immer weit hinter seinem Führer zurück.

In den Gehegen hingegen, oder wenn es galt die Herde auf der Strasse zu treiben, war es eine andere Sache. Dann war er in seinem Element und marschierte hinter seinen Schützlingen hin und her und bellte im Befehlston, ganz wie ein Sergeant Major.


Corgi beim Schaftreiben
Foto: Jeff Dillon (Flickr)

Die Ausdauer des Corgis zeigte sich in vollem Masse während der Schurzeit, wenn Mitch von morgens 7 Uhr bis abends 6 Uhr ununterbrochen auf den Beinen war. Am Ende des Tages war Mitch jeweils von Kopf bis Fuss von der schleimigen Mischung aus Kot und Urin verschmutzt, die man nur in den Sortierschleusen findet, aber er hörte nie auf. Lange nachdem die anderen Hunde aufgegeben hatten, konnte man Mitchs Stimme hören, wenn er erneut auf eine Gruppe besonders eigensinniger Hammeln los ging, die sich in einer Ecke des Pferchs drängten und sich weigerten, weiter zu gehen. Aber Mitch brachte sie dazu!

Es war am Tag vor der Schur, dass Mitch mir einen Moment der Freude schenkte, den ich nie vergessen werde.

Ich hatte noch einige Ferientage zugute, die ich Anfang Dezember einzog. Wie die meisten Farmer war Tom während der Schurzeit etwas knapp an Personal und ich war bereit zu helfen, wo ich konnte.

Eines Morgens rief der Schur-Chef an und teilte mit, dass Toms Schafe um Punkt 7 Uhr am nächsten Morgen an der Reihe waren. Tom sammelte sofort seine Schafe zusammen und bat mich, sie nach dem Mittagessen zu den Scherschuppen zu führen.

Die Schuppen befanden sich in einer Entfernung von rund 1,5 km und die Strasse, die dahin führte, war nicht etwa geteert, sondern bestand aus losem Kies, harten Steinen und vor allem feinem Staub. Auf der Canterbury Ebene gibt es viele derartige Strassen.


"Nor'-west arch"
Wetterphänomen im Osten der Südinsel Neuseelands

Im Laufe des Vormittags fiel das Barometer drastisch und ein "Nor'-West Arch" baute sich über den südlichen Alpen auf. Um die Mittagszeit blies der Wind mit Böenspitzen bis zu 65 km/h und war so heiss, wie wenn er direkt aus einem Koksofen käme. Als wir uns auf unseren langsamen Marsch zu den Schuppen begaben, war es 32°C im Schatten, nur gab es auf unserer Strasse keinen Schatten. Der Wind kam von links, womit ich wenigstens den Wolken von Staub entging, welche von 2800 Füssen aufgewirbelt wurden.

Das erste Viertel der Strecke legten wir relativ leicht zurück. Der Strasse entlang führte ein Wasserkanal, welcher von den Hirtenhunden fleissig benutzt wurde. Während wir weiter schritten verbrachten sie mehr Zeit damit, sich im kühlen Wasser zu wälzen als die Schafe voran zu treiben.

Bevor wir die Hälfte der Strecke zu den Schuppen erreicht hatten, waren die Hirtenhunde verschwunden. Sie hatten allesamt aufgegeben und waren nach Hause zurückgekehrt. Wer wollte schon bei dieser Hitze arbeiten und erst noch für einen Stellvertreter des Meisters!!!

Das bedeutete, dass ich und mein Corgi die 700 Schafe nun allein die restlichen 750 m zu den Schuppen treiben mussten. Ich wusste, dass Tom bei den Gattern zu den Schuppen stehen würde, und machte mir deshalb keine Sorgen, ob die Leittiere durch den Eingang passieren würden. Aber sie mussten immer noch auf Trab gehalten werden und sie genossen die Situation genau so wenig wie ich.

Mitch war ein Held. Der Wasserkanal interessierte ihn nur als Durstlöscher. Er schien gegenüber der Hitze immun zu sein und machte einfach seine Arbeit. Es gab keinen Grund, ihm zu sagen, dass er sich durchsetzen solle. Er war dauernd in Bewegung, vorwärts und rückwärts, hin und her, und trieb die Herde an ohne nachzulassen.

Es war auf diesem Abschnitt, dass sich uns ein grosser Lastwagen, hoch beladen mit Heuballen, näherte. Ich fluchte. Ich hatte keinen Hund, der die Schafe auf die Seite treiben konnte, um den Laster durchzulassen. Der Fahrer zeigte jedoch Verständnis und hielt an, während wir uns langsam an ihm vorbei bewegten. Als ich auf Höhe der Führerkabine war, schaute ich auf und bedankte mich. Er hatte einen Kollegen mit dabei und beide beobachteten Mitch aufmerksam. Nun sah ich, dass es sich beim Kollegen des Fahrers um den Herrn handelte, der vor wenigen Wochen seine Meinung von Mitchs Fähigkeiten, eine dreibeinige Aue mit Moderhinke zu fangen, kundgetan hatte.

Ich bedankte mich beim Fahrer.
"Ist schon gut", antwortete er, "einen guten kleinen Hund haben Sie da".
Er schien Zeit für ein Gespräch zu haben.
"Das sollten Sie Ihrem Kollegen sagen", sagte ich lachend, "Er meinte, mein Hund könnte es nicht einmal mit einer lahmen Aue aufnehmen"-
Der Kollege des Fahrers war empört und behauptete, dass er den Hund noch nie gesehen habe. Ich erinnerte ihn an die Ausstellung. "Ja, jetzt entsinne ich mich", sagte er und fügte nach einer Pause hinzu: "Wissen Sie was? Wenn Sie ihn das nächste Mal ausstellen, lassen Sie es mich wissen. Ich werde mit einem Dutzend ausgelassener Lämmer kommen, und er wird alle in den Schatten stellen".
"Ablenkung von ausserhalb des Rings ist nicht erlaubt", erklärte ich ihm.
Er schwieg einen Augenblick und beobachtete Mitch, der einige Nachzügler antrieb. Er schüttelte ungläubig den Kopf. "Das ist der verdammt beste Corgi, den ich jemals gesehen habe", sagte er. "Und das ist Fakt". Er meinte es ernst.
Dann fuhren sie weiter.

Die Anerkennung, welche diese Männer vom Land Mitch schenkten, bedeutete für mich irgendwie einen grösseren Erfolg als jegliche Rosette im Ausstellungsring, den er vorher oder seither gewonnen hat.

Aus The Welsh Corgi League Handbook 1969.
Übersetzung ANo

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www.welshcorgi-news.ch
30.10.2013